Publikation
KI-Geschäftsmodelle für die Gesundheit – Innovation stärken, Finanzierung gestalten
Hiltawsky & Boll et al.
In: Lernende Systeme - die Plattform für Künstliche Intelligenz, Vol. n.n. Pages 1-57, n.n. 4/2022.
Zusammenfassung
Ob in der Pflege, der Rehabilitation oder in der ambulanten medizinischen Versorgung – Künstliche Intelligenz (KI) verspricht enorme Potenziale, um die Gesundheitsversorgung zu verbessern. Damit Patientinnen
und Patienten diese Potenziale nutzen können, braucht es neuartige Innovationsprozesse und innovative
Geschäftsmodelle. Dazu gilt es technische, ethische, regulatorische und wirtschaftliche Herausforderungen
zu bewältigen. Wirtschaftlich tragfähige Geschäftsmodelle helfen dabei, KI-basierte Innovationen in die Breite des Gesundheitswesens zu bringen und die dafür notwendige Digitalisierung zu beschleunigen.
Expertinnen und Experten der Arbeitsgruppe Gesundheit, Medizintechnik, Pflege sowie der Arbeitsgruppe
Geschäftsmodellinnovationen der Plattform Lernende Systeme geben im vorliegenden Whitepaper einen
Überblick darüber, wie KI-basierte Geschäftsmodelle im Gesundheitswesen auch in Deutschland erfolgreich
implementiert werden können. Das Papier nimmt dabei in erster Linie die Chancen, Herausforderungen und
regulatorischen Rahmenbedingungen in Deutschland in den Blick. Darüber hinaus werden auch Geschäftsmodelle für den Zweiten Gesundheitsmarkt sowie globale KI-Gesundheitstrends vorgestellt. So ändert sich
durch den KI-Einsatz in der Medizin nicht zwangsläufig auch das Erlösmodell. Bei einem neuartigen KI-Angebot könnten jedoch moderne Erlösmodelle geprüft werden – weg vom Lizenzgeschäft mit einmaligen Zahlungen hin zum „Software-as-a-Service“-Geschäft, Mietmodell oder nutzungsabhängigen Zahlungen.
Zunächst werden dazu Geschäftsmodelle im Ersten und Zweiten Gesundheitsmarkt analysiert (Kapitel 2).
So gewinnt vor allem der Zweite Gesundheitsmarkt zunehmend an Relevanz, welcher mit sinnvollen, qualitativ hochwertigen KI-Anwendungen großes Potenzial im Hinblick auf die Monetarisierung als auch für
die persönliche Gesundheit und Gesunderhaltung hat. Im Anschluss wird dargelegt, welche Potenziale der
sogenannte Zweite Gesundheitsmarkt beispielsweise durch persönliche KI-basierte Gesundheitsanwendungen wie die Auswertung von Wearables für Gesundheitsunternehmen bietet und welche Rolle Pflege und
Rehabilitation für neue KI-Geschäftsmodelle haben.
Die Medizintechnikbranche ist in Deutschland stark mittelständisch, gerade viele kleine und mittlere Unternehmen (KMU) und Start-ups stellt die Finanzierung und Zulassung von KI-Medizinprodukten im Gesundheitswesen aber vor große Herausforderungen. Exemplarisch werden im Papier spezifische Herausforderungen, etwa das Fehlen geeigneter Trainingsdaten, Probleme der Datensicherheit, fehlende KI-Expertise
oder fehlendes Vertrauen in KI-Technologien, sowie existierende Wege zur Förderung und Kostenübernahme
von KI-basierten Medizinprodukten vorgestellt (Kapitel 3). Zudem werden in fiktiven Szenarien exemplarisch Investitionsrechnungen sowie Wege zur Kostenübernahme für unterschiedliche KI-Geschäftsmodelle
analysiert.
Anschließend werden im Papier in verschiedenen Handlungsfeldern unterschiedliche Gestaltungsoptionen
diskutiert, die die interessierte Öffentlichkeit sowie die Akteure des Gesundheitswesens adressieren (Kapitel 4-8). So wird etwa analysiert, wie die Verfügbarkeit von Daten, insbesondere Trainings- und Validierungsdaten für KI, verbessert werden kann (Kapitel 4) und welche Wege der Start-up-Finanzierung auch
auf dem Zweiten Gesundheitsmarkt existieren (Kapitel 5). In diesem Zusammenhang werden konkrete Herausforderungen für Mittelständler und Start-ups durch eingeschränkte Finanzierungsmöglichkeiten,
hohe Investitionssummen und lange Wartezeiten diskutiert. Des Weiteren werden die Gestaltungsfelder zu
Innovations- und Wertschöpfungsnetzwerken (Kapitel 6), zur Zertifizierung und Haftung (Kapitel 7)
sowie zur Digitalen Ethik und Patientenperspektive (Kapitel 8) diskutiert. So sind für Innovations- und
Wertschöpfungsnetzwerke die zielgruppengerechte Vernetzung von Forschungsinstitutionen, industrieller
bzw. medizinischer Praxis sowie der Nutzenden besonders wichtig. Bei Geschäftsmodellen und Plattformen
für KI im Gesundheitssektor ist die gezielte Kooperation zwischen Industrieunternehmen und Forschungseinrichtungen zentral. Wenn KI als Medizinprodukt oder Diagnostik-Verfahren zertifiziert wird, geschieht dies derzeit als eigenständige Software oder vor allem als Teil eines Gesamtprodukts. Vom Einsatz selbstlernender KI, die sich nach der Inbetriebnahme maßgeblich weiterentwickelt, wird bislang aus Sicherheitsgründen abgesehen. Die Gesetzesvorlage „Artificial Intelligence Act“ der Europäischen Kommission schafft weltweit
zum ersten Mal umfassende Rahmenbedingungen für KI und soll KI-Medizinprodukte grundsätzlich als Hochrisikoprodukte einstufen. Die Haftung bei KI-Systemen im Gesundheitswesen sollte eindeutig die Besonderheiten von KI-Systemen berücksichtigen.
Wichtige Grundlagen, um das für die Akzeptanz von KI im Gesundheitswesen zwingend notwendige Vertrauen zu schaffen, sind die Etablierung digital-ethischer Prinzipien und deren Berücksichtigung bei der
Entwicklung und Anwendung neuer digitaler Gesundheitslösungen sowie die Berücksichtigung der Patientenperspektive entlang der gesamten digitalen Wertschöpfungskette (Kapitel 9). Nicht zuletzt ist der Vertrauensaufbau bei Patientinnen und Patienten, Angehörigen und Beschäftigten ausschlaggebend für den Erfolg
und die Akzeptanz KI-basierter Geschäftsmodelle. Damit dieses Vertrauen erhalten bleibt, müssen KI-basierte
Geschäftsmodelle immer und zuerst vor dem Hintergrund des medizinischen Nutzens sowie an allgemeinen
ethischen und gesellschaftlichen Kriterien bewertet werden.