Fast auf den Tag genau vor zehn Jahren erschien der initiale Artikel, der das Konzept von Industrie 4.0 vorgestellt und motiviert hat. „Industrie 4.0: Mit dem Internet der Dinge auf dem Weg zur 4. industriellen Revolution“. Veröffentlicht am 1. April in den VDI-Nachrichten kurz vor der Hannover Messe 2011. Die drei Autoren waren Prof. Wolfgang Wahlster, DFKI, Prof. Henning Kagermann, acatech, und Prof. Wolf-Dieter Lukas, Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF).
Im Gespräch mit DFKI-Unternehmenssprecher Reinhard Karger: Prof. Wolfgang Wahlster, Gründungsdirektor und bis 2019 CEO des DFKI, der die Arbeit des DFKI heute als Chief Executive Advisor (CEA) begleitet.
Prof. Wahlster, bitte schildern Sie doch einmal den Weg zu dem Konzept und den Findungsprozess für die Wortmarke „Industrie 4.0“.
Als Mitglied der Forschungsunion Wirtschaft-Wissenschaft der Bundesregierung von 2006-2013 war meine Aufgabe, deren Hightech-Strategie zu begleiten, aber auch konkrete Zukunftsprojekte zu entwickeln. Ich war zusammen mit den Kollegen Henning Kagermann und Johannes Helbig in der Promotorengruppe „Kommunikation“ tätig, die für das Innovationsfeld der Informations- und Kommunikationstechnologien zuständig war. Unter dem Leitmotto „Ideen zünden!“ hatte uns die damalige Forschungsministerin Annette Schavan gebeten, ehrgeizige Zukunftsprojekte mit großem wirtschaftlichem und gesellschaftlichem Potenzial zu definieren, welche deutsche Forschungsstärken für wichtige Branchen in die praktische Anwendung bringen.
Bereits im September 2010 haben wir in der Promotorengruppe beschlossen, ausgehend von den wissenschaftlichen Trendthemen Internet der Dinge, Internet der Dienste und Cyber-Physische Systeme (CPS) ein Zukunftsprojekt zu definieren. Wir haben dies im Bereich der cyber-physischen Produktionssysteme angesiedelt, da in Deutschland damals jeder zweite Arbeitsplatz direkt oder indirekt von der Herstellung physischer Produkte abhing. Im Dezember 2010 habe ich bei einer Besprechung in der deutschen Akademie der Technikwissenschaften (acatech) in Berlin mit den Kollegen Kagermann und Lukas dann überlegt, das Zukunftsprojekt nicht mit dem sperrigen Begriff „cyber-physische Produktionssysteme“ zu belegen, sondern es intuitiv verständlich „Industrie 4.0“ zu nennen. Dabei wird durch die Bezeichnung „4.0“ die 4. industrielle Revolution eingeläutet und gleichzeitig ein Hinweis auf die wichtige Rolle von Software durch die in der IT bekannte Art der Versionenbezeichnung gegeben.
Wann begann offiziell die Planung des Zukunftsprojekts und wann wurde der Begriff erstmals bei einer großen Fachveranstaltung benutzt?
Im Januar 2011 wurde in der Forschungsunion festgelegt, dass wir ein Zukunftsprojekt „Industrie 4.0: Deutschland als Leitanbieter für Cyber-Physical Systems bis 2020“ ausarbeiten sollten. Obwohl die acatech-Studie unter der Leitung von Kollegen Manfred Broy damals eine Vielzahl von wichtigen Anwendungsfeldern aufzeigte, haben Herr Kagermann, Herr Lukas und ich uns auf Anwendungen in der produzierenden Industrie fokussiert – eine goldrichtige Entscheidung, wie der Erfolg von Industrie 4.0 zeigt.
Bei der Eröffnungsveranstaltung der Hannover Messe am 3. April 2011 konnte ich dann in Anwesenheit der Kanzlerin, zahlreicher Politiker und ca. 3.000 Führungskräften in meiner Ansprache zur Jury-Arbeit für den Hermes-Award erstmals vor wichtigen Entscheidern den Begriff „Industrie 4.0“ vorstellen: „…Produktionsstandort bleiben heißt heute, sich fit zu machen für die vom Internet getriebene 4. industrielle Revolution. Durch das Internet der Dinge entsteht eine Brücke zwischen virtueller und dinglicher Welt. In der Industrie führt dieser Ansatz zu einem Paradigmenwechsel. Das entstehende Produkt selbst steuert seinen Produktionsprozess, überwacht über die eingebettete Sensorik die relevanten Umgebungsparameter und löst bei Störungen entsprechende Gegenmaßnahmen aus – es wird gleichzeitig zum Beobachter und zum Akteur…“. Die Kanzlerin hat in ihrer nachfolgenden Eröffnungsrede den Begriff spontan aufgegriffen. Damit war der Bann gebrochen, und in der Diskussion beim anschließenden Abendessen wurde das Zukunftsprojekt intensiv und mit einer gewissen anfänglichen Skepsis traditioneller Maschinenbauer diskutiert.
Am 5. Juni 2011 habe ich dann für eine Strategiesitzung bei acatech von unserem DFKI-Grafikspezialisten Renato Orsini nach meiner Konzeption eine Grafik zu den vier Stufen industrieller Revolutionen anfertigen lassen, die heute in Tausenden von Variationen selbst in Lehrbüchern leider meist als Plagiat verwendet wird. Die Wortmarke „Industrie 4.0“ zusammen mit dieser eingängigen Grafik war dann der Zündstoff für eine exponentielle Verbreitung des Konzepts.
Wie verlief die weitere Verbreitung des Konzepts?
Der Begriff hat sich rasend viral ausgebreitet und wird heute weltweit wie die Begriffe „Kindergarten“ und „Autobahn“ mit Deutschland assoziiert. Industrie 4.0 wird als deutscher Exportschlager wahrgenommen, der in Wirtschaft, Wissenschaft und Politik eine weltweite Aufmerksamkeit und Anerkennung erfahren hat.
Damit haben wir in der Hightech-Welt erstmals wieder ein innovatives Konzept aus Deutschland international etablieren können, nachdem diese über viele Jahre meist aus Amerika oder Asien kamen. In den letzten zehn Jahren haben sich mehr als 100.000 Publikationen, 10.000 Konferenzen und 1.000 Projektkonsortien mit der technisch-wissenschaftlichen Umsetzung von Industrie 4.0. beschäftigt, so dass man heute über 25 Millionen Internetverweise zu dem Begriff findet.
Gab es bereits Vorarbeiten zu Industrie 4.0, auf die man aufbauen konnte?
Ja, bei der Spezifikation der Ziele für Industrie 4.0 bauten wir auf Forschungsergebnisse des DFKI auf, die schon seit 2005 in unserer weltweit ersten „Smart Factory“ in Kaiserslautern erarbeitet wurden. Auf der Basis des von Kollegen Detlef Zühlke betriebenen Demonstrators leitete ich schon seit 2008 das BMBF-Projekt SemProm zu semantischen Produktgedächtnissen, welches jedem Fabrikmodul und jedem produzierten Produkt einen sogenannten digitalen Zwilling zuordnete.
Der digitale Zwilling speichert die Funktion und die gesamte Lebensgeschichte eines physischen Objektes in einer maschinenverstehbaren Repräsentation und steuert den Produktionsvorgang selbst aktiv, so dass eine Produktion sehr kleiner Losgrößen wirtschaftlich möglich wird. Wir wussten also, wovon wir sprechen, als wir den Begriff „Industrie 4.0“ in die Welt setzten.
Was von der Konzeption einer „Industrie 4.0“, die Sie zusammen mit Ihren Kollegen Kagermann und Lukas am 1. April 2011 publizierten, ist heute schon verwirklicht?
Das Internet der Dinge und darauf aufsetzende cyber-physische Systeme sind in modernen Fabriken heute Realität. Die digitale Konnektivität zwischen allen Maschinen, Werkzeugen, Werkstücken und den Facharbeitern hat auch in Bestandsfabriken große Fortschritte gemacht. Die sensorische Aufrüstung aufgrund neuer preiswerter Sensoren und deren drahtlose Anbindung geht stetig voran, so dass immer mehr Produktionsschritte durch Multisensor-Fusion in Echtzeit u.a. zur Qualitätskontrolle überwacht werden können.
Ausgehend von unseren frühen Arbeiten zu aktiven digitalen Objekt-gedächtnissen werden auch immer mehr digitale Zwillinge realisiert, so dass man sich dem Ziel nähert, dass es für jedes physische Objekt ein digitales Abbild gibt, das automatisch und in Echtzeit aktualisiert und für Steuerungsimpulse genutzt werden kann.
Neue Fabriken werden heute stets als wandelbare Fabriken konzipiert. Die Zeiten, in denen eine Fabrik nur für eine spezielle Produktlinie konzipiert wird, sind endgültig vorbei. Beispielsweise muss jede Fabrik für Fahrzeugmotoren bei der Volatilität der Mobilitätswende mit geringem zeitlichem und finanziellem Aufwand auf alternative Antriebsstränge umstellbar sein. Die traditionelle Automatisierungspyramide wurde zugunsten heterarchischer Service-orientierter Architekturen aufgelöst, die auch die dezentrale Produktion unterstützen.
Heute gibt es etliche neu errichtete „Smart Factories“, die viele Grundprinzipien von Industrie 4.0 bereits umsetzen: Plug & Produce, taktunabhängige Matrix-Produktionsarchitekturen mit konfigurierbaren Produktionszellen und kurzen Umrüstzeiten auch für kleinste Losgrößen mit großem Produktindividuali¬sierungsgrad, variable Intralogistik kombiniert mit Echtzeit¬produktionsplanung sowie lokationsbasierte Dienste für alle Werker, die Betriebsmittel und die entstehenden Produkte. Die Positionsbestimmung in Fabrikhallen ist mithilfe KI-basierter visueller SLAM-Verfahren (Simultaneous Localization and Mapping) für mobile Systeme wie autonome Gabelstapler stark verbessert worden. Durch die hochparallele Ausführung neuronaler Verfahren auf sehr leistungsfähigen Grafikkarten (GPU-Computing), wurde die notwendige Erkennung von Landmarken signifikant verbessert, um eine freie Navigation mobiler Roboter zu ermöglichen.
Sie sprechen oft von „industrieller KI“ als Schwerpunktthema in Deutschland. Was sind die Anwendungsbereiche und was ist die Position Deutschlands bei industrieller KI im internationalen Vergleich?
KI ist die Speerspitze der zweiten Digitalisierungswelle in der Industrie, denn nur mit KI können die Massendaten aus der Industrie in neuen Wertschöpfungs¬prozessen verwertet und monetarisiert werden. Im B2C-Bereich sind die amerikanischen und chinesischen Internet-Konzerne als Hyperscaler führend bei der Anwendung von KI. Aber Deutschland hat eine herausragende Position bei der F&E in industrieller KI, aber auch beim praktischen Einsatz. Dabei geht es um Produktions-, Prozess- und Geschäftsmodellinnovationen und nicht um Werbeplatzierungen oder Produktempfehlungen.
Denken Sie an globale Zulieferer wie Bosch, ZF, Continental oder Mittelständler wie Harting, Claas und Sartorius, aber beachten Sie auch SAP und Software AG, deren Systeme in erster Linie die Nervenbahnen der Unternehmen sind, die aber auch das Unternehmenswissen digital bereitstellen und für die Unternehmens¬entwicklung zugänglich machen. Nicht zuletzt sind deutsche OEMs wie VW, BMW und Daimler Treiber der industriellen KI, weil sie ihre Fabriken weltweit schrittweise auf Industrie 4.0 umstellen und dabei KI-Technologien verstärkt einsetzen.
Konnte das 2011 verkündete Ziel, dass Deutschland bis zum Jahr 2020 Leitanbieter für Komponenten zur Realisierung cyber-physischer Produktionssysteme sein wird, erreicht werden?
Ja, unsere klassischen Fabrikausrüster wie Siemens, Bosch-Rexroth und ABB, aber noch stärker die vielen Hidden Champions aus dem Mittelstand waren die ersten Lösungsanbieter und haben immer noch einen Vorsprung von ein bis zwei Jahren. Sie werden weltweit keine Smart Factory finden, in der nicht eine Vielzahl von Software- und Hardware-Komponenten von deutschen Firmen stammt.
Der Angriff amerikanischer Unternehmen mit dem „Industrial Internet“ war zu kurz gesprungen, weil die reine Aufrüstung der Vernetzungs- und Kommunikations¬infrastruktur zwar eine Voraussetzung, aber keineswegs schon die Lösung für Industrie 4.0 darstellt. Auch IoT-Plattformen sind ohne semantisch codiertes Domänenwissen von exzellenten Ingenieur*innen und Facharbeiter*innen, intelligente Steuerungen und digitale Zwillinge noch keine Lösungen für disruptive Fabrikmodelle.
Noch wichtiger sind die Lösungen zum Retrofitting von Bestandsfabriken mit der Nachrüstung vernetzter IoT-Boxen, verteilter Sensorik und intelligenten Leitständen auf der Basis digitaler Zwillinge. Die digitale Veredelung hochpräziser und robuster klassischer Fertigungsanlagen ist eine Spezialität, die deutsche Mittelständler zum stark nachgefragten Lieferanten besonders in China gemacht haben.
Auch mobile Tablets, Smart Phones, Smart Watches und Datenbrillen haben eine neue Generation von werker-individuellen kognitiven Assistenzsystemen ermöglicht, die schon heute die Produktivität, Produktqualität, Arbeitszu-friedenheit, Sicherheit und Transparenz signifikant gesteigert haben, so dass der Mensch weiterhin im Mittelpunkt steht, lebenslang weiterlernt, keinen Kontrollverlust empfindet und mehr Freude an der Arbeit hat.
Wie sieht die internationale Kooperation zu Industrie 4.0 aus Sicht des DFKI aus?
Als binationale Initiative haben wir, im Rahmen des Staatsbesuchs von Bundeskanzlerin Angela Merkel in Tschechien schon im August 2016 und zusammen mit dem damaligen tschechischen Ministerpräsident Bohuslav Sobotka, in Prag das Deutsch-tschechische Innovationslabor für Mensch-Roboter-Kollaboration in Industrie 4.0 gestartet. Die Zusammenarbeit mit den Kollegen der Technischen Tschechischen Universität Prag ist ausgezeichnet. Wir werden Ergebnisse dieses Forschungs- und Innovationszentrums für fortgeschrittene industrielle Produktion (RICAIP) auf der digitalen Hannover Messe 2021 zeigen. Der Fokus liegt auf der Mensch-Roboter-Kollaboration in der industriellen Produktion. Das Ziel sind hybride Teams von Menschen und Robotern, die gemeinsam und also am besten Hand in Hand zusammen arbeiten. Damit das funktioniert, müssen Maschinen den Kontext einer Aktion und das Ziel kennen, so dass sie einen Zustand interpretieren und den Lösungsbeitrag bewerten können.
Auch mit Frankreich und den Niederlanden haben wir im Bereich Smart Factory Kooperationen aufgebaut. China investiert derzeit sehr gezielt, um mit Industrie 4.0 seine Produktion, die vor einigen Jahren noch auf der Ebene von Industrie 2.0 arbeitete, an die Weltspitze zu führen. Japan ist dabei aber schon weiter, weil dort das neue Paradigma schneller und tiefer verstanden wurde und auch Korea holt auf. In den USA wurde erst nach dem Fehlstart aufgrund der zunächst einseitigen Fokussierung auf das „industrielle Internet“ die volle Breite und Tiefe des Paradigmenwechsels von Industrie 4.0 erkannt und grundlegende Arbeiten dazu begonnen.
Welche neuen Technologietrends werden die nächsten zehn Jahre der 4. industriellen Revolution beeinflussen?
Sechs neue Megatrends sind dafür entscheidend: die industrielle KI, das Edge-Computing bis hin zur Edge-Cloud, 5G in der Fabrik, die Team-Robotik, autonome Intralogistik-Systeme sowie vertrauenswürdige Dateninfrastrukturen, wie sie GAIA-X bereitstellen soll.
Mit der industriellen KI wird eine zweite Welle der Digitalisierung der Produktion möglich. Die erste Welle, die alle Daten der Produktion und der Lieferketten digital und mobil über Cloud-Systeme verfügbar macht, ist weitestgehend abgeschlossen. Nun können diese digitalen Daten aber durch KI-Systeme analysiert und im Kontext interpretiert werden, so dass sie für neue Wertschöpfungsketten und innovative Geschäftsmodelle aktiv genutzt werden können. Mit digitalen Trainingsdaten für maschinelle Lernsysteme können KI-Systeme nicht nur zur bereits weitverbreitenden vorausschauenden Wartung, sondern immer mehr zur inkrementellen Qualitätskontrolle meist über Videosensorik benutzt werden. Damit wird in der nächsten Phase von Industrie 4.0 eine KI-basierte Null-Fehler-Produktion angestrebt. Selbstlernfähigkeit und modulare Langzeit-Autonomie werden die neue Generation von Smart Factories auszeichnen und neben einer extremen Flexibilität auch eine hohe Produktionsrobustheit, Arbeitssicherheit und hohes Maß an Ressourcen¬schonung garantieren. Eine fähigkeitsorientierte Produktionsarchitektur sichert die Erweiterbarkeit und Wandlungsfähigkeit auf der nächsten Stufe von Industrie 4.0 ab.
Mit privaten 5G-Campusnetzen können Edge-Devices mit der hohen Bandbreite und garantiert geringer Latenzzeit von 5G zu einer lokalen Edge-Cloud zusammengeschaltet werden, die dann den Echtzeitanforderungen in der Fabrik genügt.
Hybride Teams von Werkern und kollaborativen Robotern mit verschiedenen Fähigkeiten führen zu einer neuen Form der Team-Robotik, in der Mensch-Maschine-Interaktion unter Führung des menschlichen Fachpersonals im Mittelpunkt steht, das Hand-in-Hand mit Robotern zusammenarbeitet, um im Team komplexe Fertigungsaufgaben zu lösen.
Bei den Dateninfrastrukturen müssen die Anforderungen der jeweiligen Branche und Datenhoheit, Dezentralität/Multi-Cloud und Edge-Support sowie Service-Bereitstellung berücksichtigt werden. Daher wird z.B. für die Lebens-mittelproduktion im Sinne von Industrie 4.0 mit in dem vom DFKI geführten Konsortium Agri-Gaia ein KI-Ökosystem für die mittelstandsgeprägte Agrar- und Ernährungsindustrie auf Basis der Referenzarchitektur von GAIA-X entwickelt, während die Automobilbranche für die Realisierung von Industrie 4.0 in der Produktion ganz andere Anforderungen für eine Dateninfrastruktur auf der Basis von GAIA-X hat.
Welches sind die wichtigsten Erfolgsfaktoren für die zweite Halbzeit bei Industrie 4.0 in den nächsten zehn Jahren?
Wir dürfen in der Forschung und bei der Innovation für die nächste Phase dieser 4. industriellen Revolution nicht nachlassen und weiterhin besonders in die industrielle KI als zweite Welle der Digitalisierung investieren. Die enormen Potenziale von Industrie 4.0 sind noch lange nicht ausgereizt. Dabei spielt die Interoperabilität in Bezug auf die Software- und Hardwarekomponenten eine entscheidende Rolle, besonders um den internationalen Marktzugang für den deutschen Mittelstand und Start-ups zu sichern.
Standards, Normen und Zertifikate sind wichtige Treiber für interoperable Lösungen. Hier müssen wir in Deutschland eine Vorreiterrolle übernehmen, die auch die Resilienz und Sicherheit der angebotenen Lösungen im Fokus hat. Letztlich müssen wir die richtige Balance zwischen einer höheren digitalen Souveränität auf der einen Seite, aber auch vertrauenswürdigen und resilienten Lösungen für globale Märkte als führender Industrieausstatter auf der anderen Seite anstreben.
Nach den Erfahrungen in der Pandemie müssen wir Lösungen erarbeiten, um Risse in Lieferketten oder den Produktionstopp durch kurzfristige Personal-engpässe zu vermeiden. Hier können „Home Office“-Technologien kaum helfen, sondern es werden „Home Workbenches“ benötigt, welche die mobile Steuerung, Wartung und Reparatur von Fabrikanlagen als Softwarelösungen mit Fernzugriff auf cyber-physische Systeme bis hin zur Teleoperation mit physischen Avataren ermöglichen.
Für die zweite Halbzeit brauchen wir neben diesen technologischen Innovationen aber weiterhin die Unterstützung der Politik und der Gewerkschaften: für die Zukunft der Wertschöpfung ist auch in der nächsten Legislaturperiode weiterhin die erfolgreiche Kooperation auf der Ebene von Plattformen dringend notwendig, um dauerhaft die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Früchte der von Deutschland ausgegangenen 4. industriellen Revolution ernten zu können.