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Grüne Künstliche Intelligenz

| Umwelt & Energie | Data Management & Analysis | Sensorik & Netzwerke | Marine Perception | Osnabrück / Oldenburg

Gastbeitrag von Prof. Dr. Oliver Zielinski, Leiter des Forschungsbereichs Marine Perception, DFKI Labor Niedersachsen

© DFKI, Simone Wiegand

Digital Europe und Green Deal, die Umweltpolitische Digitalagenda, Künstliche Intelligenz für Umwelt- und Klimaschutz – der Ansatz, die zwei Megatrends Digitalisierung und Nachhaltigkeit zusammenzudenken, liegt auf der Hand. Künstliche Intelligenz (KI), als ein prominenter Baustein der Digitalisierung, bietet enorme Möglichkeiten, um unsere Gesellschaft im nachhaltigen Umgang mit der Natur zu unterstützen. KI ist eine leistungsfähige Querschnittstechnologie, ein Werkzeug – geschaffen, um Informationen aus großen Datenmengen zu generieren, komplexe Prozesse vorherzusagen und in veränderlichen Umgebungen zielorientiert zu handeln [1].

Blicken wir zuerst auf die Stärkung (ökologischer) Nachhaltigkeit durch die Anwendung von KI. In der Agenda 2030 für Nachhaltige Entwicklung formulieren die Vereinten Nationen 17 Ziele (UN Sustainable Development Goals, kurz SDGs) und 169 Zielvorgaben. Eine im vergangenen Jahr veröffentlichte Studie von Vinuesa et al. [4] hat diese Zielvorgaben hinsichtlich der Wirkung von KI- Anwendungen untersucht. Das Ergebnis stimmt optimistisch: So wird für den Großteil der Ziele (79%) ein positiver Einfluss durch den Einsatz von Künstlicher Intelligenz festgestellt, während negative Auswirkungen lediglich für einen geringeren Anteil (35%) vorhergesagt werden. Bei den Nachhaltigkeitszielen mit direktem Klima- und Umweltbezug (SDG 13: Climate Action, SDG 14: Life below Water, SDG 15: Life on Land), berichten die Autor:innen sogar über ein besonders positives Potenzial (93%).

Die Gründe sind vielfältig und liegen in erster Linie an den Stärken von KI-Algorithmen, Muster zu erkennen, Trends offenzulegen und optimierte Lösungen für komplexe Problemstellungen hervorzubringen. Beispiele sind die Optimierung von Waren- und Verkehrsströmen, die Automatisierung  von  Recyclingprozessen oder der effiziente Betrieb dezentraler Energienetze [5-9]. Aber ist KI wirklich ein Game-Changer für den Umwelt- und Klimaschutz? Bei der Anwendung von KI für das Erreichen nachhaltiger Zielsetzungen dürfen die Auswirkungen der KI selbst nicht außer Acht gelassen werden. Es braucht mehr Nachhaltigkeit durch KI und mehr Nachhaltigkeit in der KI – kurzum, es braucht Grüne KI.

Die Begriffe Grüne KI und im Folgenden aufgegriffene Rote KI orientieren sich an der von Roy Schwartz und Co-Autoren im Jahr 2020 [2] publizierten Arbeit zu Green AI und dem dort formulierten Anspruch, dass Grüne KI den ökologischen Fußabdruck der KI verringert und ihre Inklusivität befördert.

Als Red AI, also Rote KI, werden hier der wachsende Rechenbedarf immer größerer KI-Modelle und die damit verbundenen CO2- Emissionen verstanden ebenso wie zunehmende Barrieren im Zugang zu Daten, Rechenkapazitäten und (vor-) trainierten Modellen. So einfach wie diese Rot-Grün-Klassifizierung auf der Basis des CO2-Fußabdrucks der benötigten Rechenleistung erscheint, ist es allerdings nicht. Denn neben der langfristigen Klimawirksamkeit sind auch die direkten Auswirkungen von KI und Digitalisierung auf die Umwelt relevant. Dem gesamten Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologien wird ein Wachstum vorhergesagt, welches bis 2030 zu einer Verdreifachung des heutigen Niveaus führt, und damit künftig 21% des globalen Energiebedarfs ausmachen wird [3].

In der aktuellen Diskussion wird oft der ökologische Fußabdruck von großen Rechenzentren und Cloud-Servern betrachtet [3]. Noch wichtiger scheint mir der Blick auf die bereits derzeit über 25 Milliarden bestehenden, vernetzten Endgeräte, deren Anzahl sich in den nächsten zehn Jahren mindestens verdoppeln wird und in denen die KI immer mehr Einzug halten wird. Lernendes Verhalten, direkt im Fahrzeug, oder Sprachanalyse, vor Ort im Wohnzimmer, wird zunehmend Realität und erfordert einen geschärften Blick auf die Effizienz und Wirkung dieser Anwendungen. Vor diesem Hintergrund ist ein Umdenken bei der KI-Entwicklung hin zu einer nachhaltigeren, Grünen KI, die umweltfreundlicher und inklusiver ist, dringend angezeigt.

Das Potenzial einer an Umweltschutz und Nachhaltigkeit orientierten KI, wurde bereits in der Politik erkannt. Förderinstrumente staatlicher Stellen, wie beispielsweise der Aktionsplan Natürlich.Digital.Nachhaltig des Bundesministeriums für Bildung und Forschung oder die KI-Leuchttürme des Bundesumweltministeriums, helfen Forschungseinrichtungen, Unternehmen, Organisationen und Behörden, ein wachsendes KI- Ökosystem mit ökologisch-nachhaltiger Ausrichtung zu etablieren. Es ist wichtig, die sich bei den entsprechenden Ausschreibungen zeigende wissenschaftlich-technische Kreativität konsequent weiter zu fördern. In der sich anschließenden Überführung von Forschungsergebnissen in innovative Anwendungen mit breiter Wirkung sehe ich eine große Herausforderung.

KI für den Klima- und Umweltschutz verliert sich noch zu oft in kontrollierten Laborumgebungen, Forschungs-Prototypen und eingeschränkten Datensätzen [4]. Hier sind agile Finanzierungsinstrumente für gemeinwohlorientierte Innovationen und Reallabore notwendig, in denen umweltorientierte KI- Anwendungen in einem gemeinsamen Prozess von Akteur:innen aus Wissenschaft und Zivilgesellschaft konzipiert, entwickelt und evaluiert werden.

„Technik ist eine sehr menschliche Tätigkeit“, hat der US- amerikanische Technikhistoriker Melvin Kranzberg in seinem sechsten Technologiegesetz festgestellt. Grüne KI als Technologie braucht dieses Bewusstsein und die Akzeptanz der Gesellschaft, um der ökologischen Dreifachkrise aus Klimawandel, Biodiversitätsverlust und der Verschmutzung der Umwelt zu begegnen, ohne dabei selbst zum Teil des Problems zu werden.

Referenzen

[1]    Kaplan, A., & Haenlein, M. (2019). Siri, Siri, in my hand: Who’s the fairest in the land? On the interpretations, illustrations, and implications of artificial intelligence. Business Horizons, 62(1), 15- 25.

[2]    Schwartz, R., Dodge, J., Smith, N. A., & Etzioni, O. (2020). Green AI. Communications of the ACM, 63(12), 54-63.

[3]    Jones, N. (2018). How to stop data centres from gobbling up the world's electricity. Nature, 561(7722), 163-166.

[4]    Vinuesa, R., Azizpour, H., Leite, I., Balaam, M., Dignum, V., Domisch, S., Felländer, A., Langhans, S. D., Tegmark, M. & Fuso Nerini, F. (2020). The role of artificial intelligence in achieving the Sustainable Development Goals. Nature communications, 11(1), 1-10.

[5]    Malik, R., Pande, S., Nishi & Khamparia, A. (2020). Artificial Intelligence and Machine Learning to Assist Climate Change Monitoring. Journal of Artificial Intelligence and Systems, 2(1), 168- 190.

[6]    Wolf, M., van den Berg, K., Garaba, S. P., Gnann, N., Sattler, K., Stahl, F., & Zielinski, O. (2020). Machine learning for aquatic plastic litter detection, classification and quantification (APLASTIC-Q). Environmental Research Letters, 15(11), 114042.

[7]    Mohamadi, A., Heidarizadi, Z. & Nourollahi, H. (2016). Assessing the desertification trend using neural network classification and object-oriented techniques. Journal of the Faculty of Forestry, Istanbul University, 66(2), 683-690.

[8]    Herweijer, C., Combes, B., Ramchandani, P., & Sidhu, J. (2018). Fourth Industrial Revolution for the Earth: Harnessing Artificial Intelligence for the Earth. PWC, 1-48.

[9]    International Energy Agency; IEA (2017). Digitalization & Energy. IEA, 1-188.

Dieser Gastbeitrag ist zuerst auf ThePioneer.de erschienen.

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