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Präzisere Diagnostik dank verbesserter Bildgebung – Wie Bremer Forschende den Weg für Künstliche Intelligenz in der Magnetresonanztomographie ebnen

| Gesundheit & Medizin | Cyber-Physical Systems | Bremen
© Jens Lehmkühler/U Bremen Research Alliance
Zum KIMBi-Projektteam gehören (v.l.n.r.) Prof. Christoph Lüth (DFKI/Uni Bremen), Prof. Rolf Drechsler (DFKI/Uni Bremen), Christina Plump (DFKI), Prof. Matthias Günther, (Uni Bremen/Fraunhofer MEVIS), Dr. Jörn Huber (Fraunhofer MEVIS), Dr. Daniel Hoinkiss (Fraunhofer MEVIS).

Die Magnetresonanztomographie (MRT) gilt als das vielseitigste und flexibelste Bildgebungsverfahren in der medizinischen Diagnostik. Mithilfe von Radiofrequenzpulsen und Magnetfeldern ermöglicht sie die Erzeugung detaillierter Schnittbilder des menschlichen Körpers, die eine detaillierte Beurteilung von Organen und krankhaften Organveränderungen erlauben. Die Qualität dieser Bilder hängt dabei maßgeblich von der gewählten Einstellung, der sogenannten MRT-Sequenz, ab. Diese Sequenz besteht aus einer spezifischen Abfolge von Hardwarebefehlen wie Radiofrequenzpulsen, Magnetfeldschaltungen oder Ausleseevents und wird entsprechend den Anforderungen der jeweiligen Diagnose konfiguriert. Die Konfiguration der Sequenzen ist jedoch äußerst kompliziert und erfordert eine aufwendige, manuelle Programmierung der Hardwarebefehle in komplexem Code. Künstliche Intelligenz kann dabei helfen, die optimale Sequenz für die bestmögliche Bildgebung zu finden.

Um dies zu ermöglichen, forschen Wissenschaftler:innen des DFKI-Forschungsbereichs Cyber-Physical Systems, der Universität Bremen und des Fraunhofer MEVIS im Projekt KIMBi an vier Aspekten: der Entwicklung einer auf maschinellem Lernen basierenden Simulation des MRTs für hochwertige Tests ohne direkten MRT-Zugang, der Rekonstruktion von MRT-Bildern aus diesen Simulationsdaten unter Berücksichtigung neuartiger Sequenzen, der Optimierung von Sequenzparametern basierend auf Expert:innenwissen für spezifische Untersuchungsziele und individuelle Patient:inneneigenschaften sowie der Entwicklung einer anwendungsorientierten und leicht verständlichen Sprache für nicht-programmierende Expert:innen zur Initiierung und Anpassung der entwickelten Optimierung.

Wir haben die DFKI-Forscherin und Projektmitarbeiterin Christina Plump zu den Zielen und Potenzialen von KIMBi befragt:

Christina, wo siehst du das Potenzial für den Einsatz von Künstlicher Intelligenz bei MRT-Anwendungen?

MRT-Aufnahmen können von Methoden der Künstlichen Intelligenz an vielen Stellen unterstützt werden. Sei es bei der Bestimmung der Einstellung bei einem MRT-Scan. Expert:innen nennen diese Einstellung Sequenz und Protokoll. Das Protokoll ist sozusagen das Finetuning der Sequenz, um genau die Bedürfnisse und die Besonderheiten des jeweiligen Patienten zu treffen. Oder bei der Rekonstruktion der Scan-Bilder aus den empfangenen Signalen.

Was sind die Herausforderungen eines MRT-Scans?

Man kann die Herausforderungen eines MRT-Scans in zwei Ebenen unterteilen. Zum einen die Passung an die Situation: Welcher Patient? Welches Körperteil? Welche Fragestellung? Und zum anderen die technischen Herausforderungen bei der Berechnung der Bilddaten aus den aufgenommenen Daten. Wenn man sich jetzt vorstellt, dass jeder Patient unterschiedlich ist, sei es physisch, der Körperbau, Fett-, Wasseranteile, aber auch psychisch: Kann ich lange stillliegen? Stresst mich das Stillliegen im MRT? Habe ich Angst vor den Geräuschen in der Röhre? Und die Anforderungen an das Bild ebenfalls stark variieren können: Welche Gewebearten möchte ich am besten unterscheiden können? Welche interessieren mich weniger? Dann wird klar, dass es eine schwierige Aufgabe ist, unter den unendlich vielen Sequenzen, das waren die Einstellungen für den MRT-Scan, genau die richtige für die Situation und den jeweiligen Patienten zu finden. Dies erfordert viel Erfahrung und Zeit auf Seiten des medizinischen Fachpersonals. Gleichzeitig wird durch die oft nur beschränkt vorhandene Zeit im klinischen Alltag auf bekannte, bereits oft genutzte Sequenzen zurückgegriffen, die häufig eine gute Lösung Situation darstellen, jedoch vielleicht noch verbessert werden könnten, um so eine komfortablere und präzisere Untersuchung des Patienten zu ermöglichen.

Wo siehst du Potenzial für die Anwendung?

Wir sehen das Potenzial der Anwendung in mehreren Szenarien. Zum einen ist hier der klassische klinische Alltag zu nennen. Während die Radiolog:innen vor Ort aus vorhandenen Sequenzen wählen können, um der diagnostischen Fragestellung am besten gerecht zu werden, ist es möglich, dass die optimale Sequenz so nicht am Scanner vorhanden ist oder bisher sogar noch gar nicht existiert, da sie nicht in die üblichen Kategorien passt. Die in KIMBI entwickelte Methodik kann in diesen Situationen dabei helfen, eine passgenaue Sequenz zu wählen, um den Gesamtprozess so zu verbessern. Es kann gemeinsam mit dem erfahrungsgetriebenen Wissen des medizinischen Fachpersonals dazu beitragen, eine bessere und optimale Sequenz zu finden. Gleichzeitig ist die barriereärmere Lehre durch leichtere Zugänglichkeit ein wichtiger Aspekt. Nicht überall kann die gesamte komplexe Bildgebung gezeigt und gelehrt werden. KIMBI kann hierbei unterstützen, indem es durch eine KI-gesteuerte Simulation und Rekonstruktion auch ohne tatsächliche Scans es erlaubt, Sequenzen auf ihre Eigenschaften hin zu untersuchen. Zu guter Letzt kann durch die von KIMI automatisch geleistete Sequenzoptimierung auch in Regionen mit wenig verfügbaren Fachpersonal die wichtige Diagnostik eines MRTs ermöglicht werden.

Wie steht es um das Risiko?

In unserem Projekt entsteht durch den Einsatz von KI keinerlei Risiko. Zum einen sind physikalische Grenzen in unser System eingebaut, so dass der Algorithmus keine Vorschläge außerhalb dieser Grenzen macht. Noch viel wichtiger ist aber, dass die Vorschläge unseres Systems immer erst von einem Radiologen überprüft werden, bevor sie am Gerät ausgeführt werden. Unser System arbeitet also mit dem sogenannten Human-in-the-Loop. Der Mensch trifft weiterhin die Entscheidung und kann auch seine fachliche Expertise einbringen. Das System unterstützt uns lediglich, indem es Out-of-the-box-Vorschläge macht.

Welche Kooperationspartner tragen zum Gelingen bei?

Dieses Projekt ist ein stark interdisziplinäres Projekt. Unsere Projektpartner, das Fraunhofer Mevis und die Physik der Universität Bremen, liefern nicht nur das dringend benötigte Domänenwissen für eine passgenaue Entwicklung unserer Methoden, sondern entwickeln neuartige Methoden zur Simulation und Rekonstruktion von MRT-Sequenzen. Gleichzeitig bietet das Fraunhofer Mevis die einzigartige Möglichkeit, MRT-Sequenzen real zu testen. Zusätzlich bietet es mit der Eigenentwicklung GammaStar die Möglichkeit zur Entwicklung von herstellerunabhängigen Sequenzen. Das DFKI CPS unter der Leitung von Rolf Drechsler übernimmt die Entwicklung der Methoden im Bereich der Künstlichen Intelligenz und arbeitet dabei eng mit den Kooperationspartnern zusammen.

Lassen sich die Optimierungsverfahren auch auf andere Anwendungsgebiete übertragen?

Wenn man das reine Konzept betrachtet, ein ganz klares JA. Es gibt in vielen Anwendungsgebieten die Situation, dass man ein bestimmtes Ziel erreichen möchten und dafür die richtige Einstellung sucht. Ein Beispiel dafür ist die Optimierung der Legierung- und Erhitzungsprozesse in der Stahlentwicklung. Häufig werden Stähle mit ganz bestimmten Eigenschaften gesucht, für die dann passgenaue Legierungen entwickelt werden müssen. Wichtig ist jedoch für jede Anwendung, dass immer die genauen Eigenheiten und Besonderheiten der jeweiligen Domäne und des spezifischen Falls beachtet werden müssen. Keine Optimierungslösung ist wie die andere, auch wenn sie einem ähnlichen Konzept folgt. Deswegen ist jedes neue Anwendungsprojekt eine spannende Herausforderung.
 

Das Projekt KIMBi wird im Rahmen des AI Center for Health Care der U Bremen Research Alliance (UBRA) gefördert.