Die Entwicklung städtischer Lebensräume ist eine der großen Herausforderungen der Zukunft. In Europa leben bereits heute zwei Drittel der Menschen in Städten oder Ballungsgebieten. Neben Klimaschutz und einem nachhaltigen Ressourcenmanagement spielen die Anpassung an den demografischen Wandel und sich wandelnde sozial-gesellschaftliche Belange zunehmend zentrale Rollen. Es gilt, einen attraktiven Lebensraum zu gestalten und gleichzeitig die Wettbewerbsfähigkeit der ansässigen Wirtschaft zu sichern und zu steigern.
Angesichts der zunehmenden Durchdringung aller Lebensbereiche mit modernen Kommunikationstechnologien sind Daten und Informationen zu einer wesentlichen Ressource unserer Informationsgesellschaft geworden. Die vertrauensvolle Nutzung und Analyse zur Verbesserung der Lebensqualität gewinnt ebenso an Bedeutung wie die Bereitstellung von Infrastrukturen und die bürgerliche Teilhabe in Zeiten sozialer Medien und dem zunehmenden Wunsch nach Information und Partizipation.
Am DFKI-Standort Kaiserslautern wird in Kooperation mit Partnerinstitutionen nun noch intensiver erforscht, wie sich moderne Technologien im städtischen Raum sinnvoll und systematisch einsetzen lassen um in verschiedenen Bereichen zu einer nachhaltigen Stadtentwicklung beizutragen. „Mit dem neu eingerichteten SmartCity Living Lab bündeln wir die Kompetenzen aus verschiedenen Forschungsbereichen des DFKI, um die Möglichkeiten von modernen und innovativen Informationstechnologien im städtischen Umfeld zu erforschen und ökologische und soziale Verbesserungspotentiale anhand intelligenter technologischer Lösungen zu entwickeln“, so Prof. Dr. Paul Lukowicz, Leiter des SmartCity Living Lab.
Am 05.02.2014 wurde das SmartCity Living Lab im DFKI in Kaiserslautern, mit wissenschaftlichen Vorträgen und Systemdemonstrationen ausgewählter Projekte sowie zahlreichen Gästen aus Politik, Wissenschaft und Wirtschaft, offiziell eröffnet.
Heike Raab, Staatssekretärin im Ministerium des Inneren, für Sport und Infrastruktur (ISIM) Rheinland-Pfalz, überbrachte zur Eröffnung die besten Wünsche von Ministerpräsidentin Malu Dreyer und würdigte die Innovationskraft des DFKI in ihrem Grußwort: "Hightech und IT-Lösungen brauchen anschauliche Fallbeispiele und Möglichkeiten der Mitarbeit für alle Bürger sowie Schauobjekte, um Veränderungen konkret aufzeigen zu können. In diesen Bereichen setzt das DFKI seit vielen Jahren Maßstäbe in Rheinland-Pfalz."
Eines der Projekte, der im Forschungsbereich Wissensmanagement entwickelte virtuelle Stadtführer „Talking Places“, wurde im Rahmen der Eröffnung im Wettbewerb "Ideen finden Stadt" der Initiative „Deutschland – Land der Ideen“ als wegweisender Impuls für Städte und Gemeinden der Zukunft ausgezeichnet. Das auf einer Datenbrille basierende System erkennt die Blickrichtung und damit das Interesse des Trägers an einem Ort und liefert entsprechende Informationen hierzu. Standortleiter Prof. Dr. Andreas Dengel nahm die Auszeichnung entgegen: „Ortsbezogene Daten sind eine immens wachsende und immer bedeutender werdende Informationsquelle. Angesichts ihrer hohen Dichte im urbanen Raum bergen sie gerade hier besonderes Potential für viele nützliche Anwendungen. Datenbrillen werden dabei zukünftig ein bedeutendes Werkzeug sein. Wir freuen uns daher sehr über die Auszeichnung und Anerkennung unserer ambitionierten Forschungsarbeiten auf diesem Gebiet“.
Zahlreiche Projekte bereits in der Anwendung
Bereits seit Jahren führt das DFKI mit verschiedenen Partnern nationale sowie internationale Projekte im Kontext Smart City durch. So wurde vor kurzem im Rahmen eines Bürger-Partizipations-Projekts der Stadt Kaiserslautern in Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer IESE die „ParKLight“-App entwickelt – eine Smartphone-Applikation, die das Parken in der Stadt optimieren soll. Mit ihr kann man sich zu freien Parkhäusern oder in bestimmte Tarifzonen navigieren lassen, online Parktickets buchen oder diese verlängern. Die App zeigt dabei Parkdauer und Kosten an und erkennt selbstständig, wann sich das Auto wieder von dem Parkplatz entfernt. Geschäfte können zudem Kunden mit Freiparktickets werben.
Weitere Forschungstätigkeiten befassen sich mit der Analyse von Menschenströmen unter Sicherheitsaspekten. Mit dem Einsatz von stationären WLAN- und Bluetooth-Scannern lassen sich die automatischen Verbindungsanfragen von Smartphones erkennen und so das Aufkommen und Verhalten von Menschenmassen in Echtzeit erfassen und analysieren. So können Aussagen über die Auslastung von Stadtteilen, Stadtplätzen bis hin zu einzelnen Geschäften und öffentlichen Gebäuden gemacht werden und komplexe Verhaltensmuster von Besucherströmen erkannt und analysiert werden. Ein anderer Ansatz basiert auf einer Smartphone-App zum Crowd-Sensing und -Management, die weltweit bereits bei Großveranstaltungen, wie den Olympischen Spielen 2012 in London oder der Krönung des Niederländischen Königs 2013 in Amsterdam, eingesetzt wurden. Damit lassen sich Besucherströme während einer Veranstaltung live mitverfolgen, Risikosituationen frühzeitig erkennen und die Besucher direkt informieren.
Mit dem Fachgebiet „Computergestützte Planungs- und Entwurfsmethoden (CPE)“ der TU Kaiserslautern forscht das DFKI im Umfeld des Themas „Urban Sensing“. So werden mit Hilfe mobiler Sensoren Menschliche Emotionen im urbanen Kontext erfasst. Auf einer sogenannten Emo-Map lässt sich dann darstellen, wie Bürger Ihren Stadtraum wahrnehmen und welche Orte mit welchen Emotionen verbunden sind. Entsprechende Daten wurden bereits in Kaiserslautern und in Zusammenarbeit mit der Universität in Alexandria / Ägypten erhoben.
Ein anderes wichtiges Forschungsfeld ist die Nutzung von mit Orten verknüpften Daten und Informationen (Geoinhalte). Die im DFKI entwickelten Social-Media-Plattform RADAR erlaubt, diese einfach zu verwalten und für zahlreiche gängige Augmented Reality Browser und Betriebssysteme auf mobilen Endgeräten zur Verfügung zu stellen. Das System diente bereits mehrfach bei städtischen Veranstaltungen als interaktive Informationsplattform und wird zudem als offizieller multimedialer Stadtführer genutzt. Beim Rundgang durch die Stadt zeigt das Smartphone beispielsweise Sehenswürdigkeiten in der Nähe, navigiert dort hin und liefert vor Ort Bilder, Texte, 3D-Modelle, Videos oder Audiospuren, welche die Nutzer auch selbst beitragen können. Derzeit arbeiten die DFKI-Forscher auch an Systemen, die ortsbezogene Informationen und Social-Media-Daten zur besseren Interaktion zwischen Geschäften und lokalen Kunden nutzbar machen. Weitere Projekte mit Stadt, Universität und anderen Partnern sind geplant. Die Struktur des SmartCity Living Lab liefert dabei optimale Bedingungen für realitäts- und Anwendungsnahe Spitzenfiorschung.
Kontakt:
Prof. Dr. Paul Lukowicz
Forschungsbereich Eingebettete Intelligenz
Leiter SmartCity Living Lab
Tel.: +49 631 20575 -4000
E-Mail: paul.lukowicz@dfki.de
Prof. Dr. Andreas Dengel
Forschungsbereich Wissensmanagement
Stellvertretender Leiter SmartCity Living Lab
Tel.: +49 631 20575 -1000
E-Mail: andreas.dengel@dfki.de