Herr Abolhassan, Sie haben an der Universität des Saarlandes in Informatik promoviert und kennen das DFKI seit seiner Gründung 1988. Im Juli 2021 wurden Sie Mitglied im DFKI-Aufsichtsrat und vor wenigen Wochen schließlich Aufsichtsratsvorsitzender. Welche Akzente wollen Sie in den kommenden Jahren setzen?
Das stimmt, ich habe die Entwicklung des DFKI von Anfang an aus nächster Nähe verfolgt. Darum ist es für mich auch eine ganz besondere Ehre nun dessen Aufsichtsratsvorsitzender zu sein. Vielen Dank nochmal allen Mitgliedern für ihr Vertrauen in meine Person! In meiner neuen Funktion will ich vor allem als Bindeglied zwischen Theorie und Praxis fungieren. Das DFKI leistet aus meiner Sicht eine erstklassige Forschungsarbeit. Ich denke aber, dass wir die wissenschaftlichen Erkenntnisse noch schneller in den Alltag der Menschen übertragen können. Da hakt es noch an der einen oder anderen Stelle. Darum möchte ich mich für einen stärkeren Austausch zwischen Wissenschaft und Wirtschaft einsetzen. Wenn uns das gelingt, profitieren alle vom großen Potenzial, das KI bietet – die Institute, die Unternehmen, die Gesellschaft insgesamt.
Seit 35 Jahren arbeiten Sie in verschiedenen Management-Funktionen für große ITK-Unternehmen. Welche Erwartungen hat die Wirtschaft an die europäische KI-Forschung?
KI ist ein echter Game Changer. Sie wird in den nächsten Jahren über alle Branchen hinweg ihre disruptive Kraft entfalten und vielfältige, neue Möglichkeiten schaffen. Dieses Feld dürfen wir nicht den Amerikanern und Asiaten überlassen. Als Europäer müssen wir die historische Chance nutzen und diese Zukunftstechnologie maßgeblich mitgestalten – nach unseren Vorstellungen und Werten. Wir müssen gemeinsam dafür sorgen, dass KI künftig auf ethische Weise entwickelt und genutzt wird. Dafür haben wir zum Beispiel bei der Telekom klare Leitlinien für den Umgang mit KI definiert: So sollte sie die menschlichen Fähigkeiten stets erweitern und ergänzen, aber keinesfalls einschränken. Letztlich brauchen wir eine vertrauenswürdige KI, die menschliche Intelligenz fördert, anstatt sie zu ersetzen. Und hier kann das europäische Forschungsnetzwerk „CLAIRE“ einen ganz wertvollen Beitrag leisten.
Sie haben 2020 das Buch „Superkraft Mensch – Warum der Mensch im Service den Unterschied macht“ geschrieben. Welche Dienste soll KI anbieten, damit der Mensch im Service noch kundenorientierter arbeiten kann?
Mein Motto lautet: „Digital denken, empathisch lenken.“ Man sollte digitale Technologien wie KI nur dann einsetzen, wenn sie dem Kunden oder Mitarbeitenden einen echten Mehrwert bieten. Etwa wenn der KI-Chatbot schnelle Antworten rund um die Uhr bietet. Oder wenn das KI-System dem Mitarbeitenden während des Kundengesprächs Lösungen in Echtzeit vorschlägt. Digitale Technologien sind wunderbar geeignet, die Menschen im Service von einfachen, repetitiven Tätigkeiten zu entlasten und gezielt mit Wissen zu versorgen. Doch bei wichtigen Anliegen macht noch immer der Mensch den Unterschied – mit all seiner Erfahrung und Empathie. Das kann keine KI ersetzen. Letztlich braucht es für begeisternden Service einen intelligenten Mix aus Mensch und Maschine.
In vielen Bundesländern ist Informatik zum Pflichtfach geworden. Welchen Stellenwert sollten KI und Robotik in einem Curriculum einnehmen? Und sind die Schulkinder vorbereitet auf eine Welt, in der KI-Systeme alltäglich eingesetzt werden?
Das kann ich nur unterstützen! KI und Robotik sind die Zukunft, darum sollten hier schon während der Schulzeit elementare Kenntnisse vermittelt werden – selbstverständlich in allen Bundesländern. Hier haben wir in Deutschland leider noch großen Nachholbedarf. Dabei interessieren sich die Schülerinnen und Schüler sehr für diese Themen, wenn sie entsprechend vermittelt werden. Das erlebe ich immer wieder auf der RoboNight im Saarland, die wir als Telekom seit Jahren unterstützen. Bei diesem Wettbewerb der htw Saar bauen Schülerteams Lego-Mindstorms-Roboter, die verschiedene Aufgaben lösen müssen. So gewinnen sie spielerisch Einblicke in die Konstruktion und Programmierung von Robotern. Und ich kann Ihnen sagen: Die Teams sind alle mit viel Freude und Feuereifer bei der Sache.
Unterstützt Sie KI eigentlich beim Sport?
Als leidenschaftlicher Läufer und Radfahrer tracke ich meine Aktivitäten in der Tat regelmäßig mit meinem iPhone und meiner Apple Watch. Und ich finde es spannend, dass die Möglichkeiten mittlerweile über simples Tracking hinausgehen. Immer mehr Apps nutzen künstliche Intelligenz, um das Training gesünder und effizienter zu gestalten: Basierend auf meinen persönlichen Zielen, Leistungsdaten, Gewohnheiten und Gesundheitsparametern erstellt mir die KI einen individuellen Trainingsplan. Und diesen passt sie in der Folge fortlaufend an, wenn ich etwa krank werde oder zu wenig Schlaf bekommen habe. So achtet die KI wie ein realer Trainer auf meine sportliche Entwicklung und gleichzeitig auf meine Gesundheit.
Bald können Sie für ein paar Tage von Ihrem Job und digitalen Themen abschalten. Wie feiern Sie Weihnachten?
Tatsächlich ganz analog und traditionell. Wir feiern im Familien- und Freundeskreis wie sich das bei uns im Saarland gehört: mit echtem Weihnachtsbaum, leckerem Essen und guten Gesprächen. Das Handy leg ich an den Feiertagen ganz bewusst zur Seite, um meinen eigenen Akku aufzuladen ;-)
Herr Abolhassan, vielen Dank für das Interview!
Weitere Informationen
https://www.dfki.de/web/news/dfki-aufsichtsrat-waehlt-neuen-vorsitzenden-und-neue-stellvertretende-vorsitzende
https://www.dfki.de/web/ueber-uns/dfki-im-ueberblick/aufsichtsrat