In der evidenzbasierten Medizin gelten populationsbasierte randomisierte kontrollierte Studien als Goldstandard für die Abschätzung der Auswirkungen von Maßnahmen. Der durchschnittliche Behandlungseffekt in einer homogenen Population lässt sich jedoch nicht unbedingt schnell oder einfach in eine praktikable Empfehlung für den einzelnen Patienten oder die einzelne Patientin anpassen. Die Ermittlung und Anpassung einer wirksamen Behandlung für einen einzelnen Patienten oder eine einzelne Patientin ist eine zeitaufwändige Aufgabe, die den klinischen Fachkräften überlassen bleibt und oft mit unsystematischem Trial-and-Error verbunden ist. Das Ansprechverhalten auf eine Behandlung kann sehr unterschiedlich sein, selbst bei Untergruppen, die in klinischen Leitlinien erfasst sind. Gleichzeitig lassen sich die praktischen Erkenntnisse aus der klinischen Routineversorgung oder aus individuellen, vom Patienten selbst durchgeführten Maßnahmen, wie beispielsweise nicht-pharmazeutische Behandlungen von chronischen Erkrankungen, nicht unbedingt auf die breite Bevölkerung übertragen - selbst bei adaptiven, digital empfohlenen und erfassten Maßnahmen. So können beispielsweise eine Mehrzahl einzelner Patienten und Patientinnen herausfinden, dass bei ihrer chronischen Erkrankung bestimmte nicht-pharmazeutische Maßnahmen zu einer besseren Lebensqualität führen könnten, jedoch werden diese Informationen nicht zusammengeführt. Das Problem ist daher, wie man Forschung auf Bevölkerungsebene und Routineversorgung zusammenbringen kann. In diesem Projekt nutzen wir die neuesten Entwicklungen in den Bereichen KI, kausale Inferenz, bayessche Modellierung und Mensch-Computer-Interaktion, um die Kluft zwischen populationsbezogener Forschung und Routine zu überbrücken, indem wir einen einheitlichen evidenzbasierten Rahmen bereitstellen, der sowohl einzelnen Patienten als auch der gesamten Bevölkerung dient. Dies beinhaltet die Erweiterung von Reinforcement Learning (RL) Algorithmen, einschließlich Multi-Armed Bandits, um dynamisch adaptive, parallele N-of-1-Versuche zu implementieren, die kontextsensitiv sind und gleichzeitig Kombinationen von Interventionen auf individueller Ebene optimieren. Wir modellieren nicht-stationäre Behandlungseffekte bei gleichzeitiger aktiver Untersuchung von Metahypothesen über Effekte auf Gruppenebene zwischen den Behandlungsverläufen. Ein KI-gesteuerter Rahmen für personalisierte digitale Interventionen wird den Aufwand für die Erhebung von Daten verringern, indem erklärbare algorithmische Empfehlungen bereitgestellt werden, die Präferenzen des Patienten berücksichtigen und eine geringere Anzahl an Interaktionen erfordern. Wir demonstrieren mehrere dieser Forschungsbeiträge anhand eines Proof of Concepts. Aus KIForschungssicht ist es bedeutsam, da derartige Studien oft nur simulativ durchgeführt werden. Aus medizinischer Sicht fokussieren wir uns darauf, in dieser frühen Entwicklungsphase die Studie möglichst niederschwellig und risikoarm zu gestalten. Unser KI-Durchbruch wird ein wichtiger Schritt sein, die Barrieren zwischen Forschung und routinemäßiger klinischer Versorgung zu senken, zum gleichzeitigen Nutzen einzelner Patienten und der Gesellschaft insgesamt. Wir fokussieren uns auf Aspekte der in den Leitlinien nicht klar geregelt sind. Wir streben zusätzlichen Erkenntnisgewinn an. Im konkreten Fall werden die Ansätze in der Leitlinie für Reizdarm erwähnt aber nicht welcher Lebensstiländerung in welcher Form am besten/gut genug für den einzelnen Patient ist.
Partner
Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz Rheinland-Pfälzische Technische Universität Kaiserslautern-Landau Universitätsklinikum des Saarlandes Max-Planck-Institut für Softwaresysteme