Publikation
Fallbasiertes Schließen
Ralph Bergmann; Mirjam Minor; Kerstin Bach; Klaus-Dieter Althoff; Héctor Munoz-Avila
In: Günter Görz; Ute Schmid; Tanya Braun. Handbuch der Künstlichen Intelligenz. Pages 343-394, De Gruyter Oldenbourg, Berlin, Boston, 12/2020.
Zusammenfassung
Fallbasiertes Schließen (engl. case-based reasoning, CBR) beschäftigt sich damit, wieman mithilfe von Erfahrungswissen Probleme lösen kann und es ist damit die Grundlage zum Bau erfahrungsbasierter intelligenter Systeme. Erfahrungswissen wird hierbei in Form von sog. Fällen formalisiert, die in einerFallbasisals spezielle Form einer Wissensbasis gespeichert werden. Das CBR begründet damit eine spezielle Formder Wissensrepräsentation und -verarbeitung, bei der die Analogie das grundlegendeSchlussfolgerungsprinzip ist. Die dem CBR zugrunde liegende Methodik, Probleme zu lösen, ist dem Menschen sehr vertraut und geht auf den Ansatz des „Dynamic Memory“ von Schank zurück. Hierbei wird ein kognitionspsychologisches Modell über das menschliche Problemlösen durch Lernen und Erinnern damit verbunden, wie die menschliche Intelligenz in einem Computerprogramm dargestellt werden kann. Der Dynamic Memory ist dabei eine Gedächtnisstruktur, die sich über die Zeit als Ergebnis von gemachter Erfahrung kontinuierlich anpasst. Im Kontext des CBR versteht man den Erfahrungsbegriff wie folgt: „Experience is valuable, stored, specific knowledge that was acquired by an agent in a pervious problem-solving situation“. Erfahrung ist somit episodisches Wissen, das ein spezielles Ereignis (z. B. einen Problemlösungsvorgang) mit allen dazugehörigen relevanten Informationen repräsentiert. Erfahrung findet immer in einem spezifischen Kontext statt und stellt spezifisches Wissen dar. Die Gewinnung von Erfahrungswissen bedarf daher keines (induktiven) Erkenntnisprozesses, da auf validiertes allgemeines Wissen verzichtet wird. Somit ist Erfahrungswissen in vielen praktischen Anwendungen einfacher zu gewinnen und zu formalisieren als allgemeines Wissen. Dennoch lässt sich Erfahrungswissen zum Lösen neuer Probleme einsetzen, und zwar durch Wiederverwendung im Sinne analoger Schlüsse.