Überflutungen, Hitzewellen, Verkehrsinfarkte: Die Art und Weise, wie Städte gestaltet sind und wie wir diese im Alltag benutzen, trägt zu einer Vielzahl derartiger massiver, in ihrer Summe signifikant schädlicher Folgewirkungen auf den Klimawandel und verschiedene städtische Funktionssysteme bei. Wie Städte transformiert werden müssten, um zukünftig lebenswert oder gar bewohnbar zu bleiben, ist wissenschaftlich hinlänglich erforscht und das Wissen ist verfügbar. Der Umbau und das dadurch veränderte Alltagsverhalten könnten wesentlich dazu beitragen, die Ursachen und Folgen des Klimawandels zu mindern. Menschen werden bekanntermaßen besonders schnell aktiv, wenn sie Belastungen unmittelbar sehen und selbst spüren können.
„Solange Ursachen, Folgen und Wirkungszusammenhänge aber nur theoretisch vorliegen, bleibt Handeln aus“, erläutert Prof. Dr. Till Nagel, Projektleiter am Human Data Interaction Lab der Hochschule Mannheim. „Der CO₂-Ausstoß fossiler Mobilität ist bekannt, kann aber nicht gesehen oder begriffen werden, und urbane Hitzeinseln waren in den letzten Jahren vereinzelt erlebbar, aber bereits vorliegende Prognosen für 2040 bleiben Theorie. Was aber wäre, wenn man in seinem gewohnten Straßenraum die CO₂-Massen der zirkulierenden Autos, die heutige und zukünftige Überhitzung, die mögliche Starkregenüberflutung tatsächlich sehen könnte – und das an jedem beliebigen Ort der Stadt?“
„Bürger können auf dem eigenen Smartphone, Tablet oder auch mit einer Datenbrille selbst Themenperspektiven wie Hitze, Starkregen oder Emissionen wählen. Zudem bieten AR-Technologien und die intelligente Aggregation und Analyse urbaner Ist- und Zukunftsdaten ein neues Erlebnis und ermöglichen ein tiefgreifendes Verständnis für sehr relevante, aber bisher unsichtbare Wirkungszusammenhänge.“
Das System ermöglicht auch, interaktiv Zukunftsszenarien zu erkunden: „Unser Ziel ist es, Menschen die Möglichkeit zu geben, stadtplanerische Veränderungen mit einfachen Pinselstrichen direkt in die Umgebung einzufügen. Eine generative KI integriert diese realistisch in die bestehende Landschaft, sodass deren Auswirkungen auf CO₂-Ausstoß, Temperatur und andere Faktoren unmittelbar in der Datenvisualisierung nachvollziehbar und erfahrbar werden“, erläutert Dr. Martin Berchtold, Professor für Digitalisierung, Visualisierung und Monitoring in der Raumplanung an der RPTU. Crafting Futures schafft damit eine hochgradig interdisziplinäre Verknüpfung von naturwissenschaftlichen Erkenntnissen, mathematischer Modellierung und stadtplanerischen Problemlösungsstrategien.
Im Rahmen des Projekts wird das HDIL maßgeblich an der Entwicklung und Implementierung der AR-basierten Visualisierungen beteiligt sein. Der Ansatz setzt auf situierte Visualisierungen, die Daten kontextsensitiv in den physischen Raum einbetten. Nach der Gestaltung erster Prototypen werden benutzerfreundliche und performante Visualisierungen entwickelt, die sowohl im Labor als auch im realen urbanen Umfeld hinsichtlich Verständnis und Akzeptanz evaluiert werden.
Die RPTU wird im Projekt stadtplanerische Expertise mit der integrierten Anwendung digitaler Daten, Werkzeuge und Methoden kombinieren, d.h. für Crafting Futures werden sich Professor Martin Berchtold und seine Arbeitsgruppe mit der grundlegenden Szenarien-Entwicklung im Kontext städtischer öffentlicher Räume beschäftigen und erforschen, wie sich diese virtuell so darstellen lassen, dass die Visualisierungen für Nutzende intuitiv erfassbar sind.
Das SmartCity Living Lab (SCLL) am DFKI entwickelt im Projekt robuste und spezialisierte Systeme für das Management, die Verarbeitung und Analyse urbaner Daten sowie Modelle für die hochperformante Berechnung von Zukunftsszenarios. Des Weiteren werden Verfahren der generativen KI zur Generierung realistischer Darstellungen im Stadtraum bereitgestellt.
Das Human Data Interaction Lab (HDIL) an der Hochschule Mannheim erforscht neue Wege zur Unterstützung unterschiedlicher Nutzergruppen an der Schnittstelle von menschenzentriertem Design und datengetriebener Analyse. Forschungsschwerpunkte sind ästhetische und alltagsnahe Visualisierung, Interaktionsdesign und Usability sowie Datenkompetenz und Datenvisualisierungsaktivitäten.
Das Fachgebiet beschäftigt sich in Lehre und Forschung mit Digitalisierung als Querschnittsaufgabe und Herausforderung, mit digitalen, analogen und hybriden Werkzeugen und Methoden sowie deren Bedeutung für die räumliche Planung von der Quartiersebene bis zur Metropolregion. Visualisierung – Verbildlichung – spielt dabei für Kommunikation und Vermittlung eine wesentliche Rolle. Daher liegt ein Schwerpunkt auf Planungsmethoden, die dabei helfen, sich in Analyse, Konzept und Monitoring ein möglichst gutes und zur Problem- bzw. Aufgabenstellung passendes Bild zu machen.
Das SmartCity Living Lab (SCLL) ist ein interdisziplinäres Forschungsvorhaben des Deutschen Forschungszentrums für Künstliche Intelligenz (DFKI). Im SCLL werden am Standort Kaiserslautern in Kooperation mit zahlreichen Partnern innovative Ansätze für die Stadt der Zukunft erprobt und erforscht. Ziel ist der sinnvolle und systematische Einsatz moderner Technologien im urbanen Raum, um in verschiedenen Bereichen zu einer nachhaltigen Stadtentwicklung beizutragen.
Die Carl-Zeiss-Stiftung hat sich zum Ziel gesetzt, Freiräume für wissenschaftliche Durchbrüche zu schaffen. Als Partner exzellenter Wissenschaft unterstützt sie sowohl Grundlagenforschung als auch anwendungsorientierte Forschung und Lehre in den MINT-Fachbereichen (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik). 1889 von dem Physiker und Mathematiker Ernst Abbe gegründet, ist die Carl-Zeiss-Stiftung eine der ältesten und größten privaten wissenschaftsfördernden Stiftungen in Deutschland. Sie ist alleinige Eigentümerin der Carl Zeiss AG und SCHOTT AG. Ihre Projekte werden aus den Dividendenausschüttungen der beiden Stiftungsunternehmen finanziert.
Gemeinsame Pressemitteilung der Hochschule Mannheim, der Rheinland-Pfälzischen Technischen Universität Kaiserslautern-Landau und des Deutsches Forschungszentrums für Künstliche Intelligenz.
Human Data Interaction Lab, Hochschule Mannheim
Fachbereich Raum- und Umweltplanung, Rheinland-Pfälzische Technische Universität Kaiserslautern-Landau
FB Smarte Daten & Wissensdienste, Deutsches Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz KL
Communications & Media, Deutsches Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz KL
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