Es passiert in jedem Büro, an jedem beliebigen Tag: Sobald sich eine Mitarbeiterin eine Tasse aus dem Schrank nimmt, ist diese für den Rest des Arbeitstages ihre. Während ihre Kolleginnen und Kollegen dies automatisch registrieren und berücksichtigen, stellt diese funktionale Eigenschaft eine Maschine vor ein komplexes Problem: Für einen Serviceroboter im Labor oder im Haushalt ist es schwierig, viele gleich aussehende Gegenstände entsprechend ihrer aktuellen Funktion auseinander zu halten. Wem gerade was gehört, wofür es verwendet wird und ab wann dies nicht mehr gilt – all diese Informationen kann sich die Maschine nicht von selbst erschließen.
Sie benötigt hierfür einen sogenannten dynamischen Anker, der das Wissen über jede einzelne Tasse mit einer aktuellen Funktion verbindet: Wer die Tasse gerade benutzt und wann die Benutzung beendet ist. Das Wahrnehmen solcher zum Teil zeitlich begrenzten Objektidentitäten stellt einen Schlüssel für die Mensch-Maschine-Interaktion dar – ob in Laboren, Fabriken oder Haushalten. Aus diesem Grund arbeiten die drei Forschungsbereiche des DFKI-Labors Niedersachsen seit dem 1. Januar 2020 im Projekt CoPDA an einer grundlegenden Lösung für die dynamische Verankerung solcher Zugehörigkeiten („Comprehensive Perception and Dynamic Anchoring“).
Grundlagenlösung als Open-Source-Software für alle Einsatzbereiche von Robotern
Das Ziel des Projekts ist ein dynamischer Ankeragent („Dynamic Anchoring Agent“, kurz DAA). Dieser Agent kann in den verschiedensten Robotersystemen eingesetzt werden und dient dazu, zwischen den erkannten Gegenständen und dem Vorwissen über ihre Eigenschaften und ihren Einsatzbereich eine vorübergehende Verbindung aufzubauen. Im Rahmen des Projekts soll unter anderem definiert werden, wie sich diese Verbindungen erstellen und wieder lösen lassen. Die Frage lautet dabei, ob der Maschine erklärt werden muss, wem ab wann ein Gegenstand gehört, oder ob sie dies von alleine erkennen kann – beispielsweise durch visuelle Hinweise oder die räumliche Verortung.
Mithilfe ausreichender Informationen über die Tasse und die mögliche Veränderung ihres Ortes und ihres Aussehens könnte, so die Idee des DFKI-Labors Niedersachsen, der DAA selbst einen Anker setzen und es so beispielsweise einem Roboter ermöglichen, automatisch jedem Mitarbeiter die richtige Tasse zu bringen – oder jedem Familienmitglied. Denn die dynamische Verankerung stellt ein Grundproblem dar, das alle zukünftigen Einsatzbereiche von Robotern in Zusammenarbeit mit Menschen betrifft. Aus diesem Grund arbeiten die Wissenschaftler an einer grundlegenden Lösung, die umfangreich getestet und in Geschwisterprojekten anderer DFKI-Forschungsbereiche eingesetzt wird. Der dynamische Ankeragent soll schließlich als Open-Source-Software für Roboter zur Verfügung gestellt werden und so flächendeckend zu einer Verbesserung der Mensch-Maschine-Interaktion beitragen.
Tests mit Roboterarmen und Segelbooten
Zuvor gilt es, die dynamische Verankerung in möglichen Einsatzbereichen zu testen. Hierzu soll im ersten Versuch ein Roboterarm in einem Labor registrieren können, welchem Mitarbeiter gerade welches Werkzeug gehört. Die Schwierigkeit stellt hierbei das Versetzen der Werkzeuge dar: Der DAA muss die Zugehörigkeit eines Akkuschraubers auch dann erkennen, wenn dieser unbemerkt an einen anderen Ort gelegt wurde. Im zweiten Versuch soll wiederum getestet werden, wie sich der Agent in weniger kontrollierbaren Gegenden verhält: In einem Yachthafen wird mithilfe von Kameras und Sensoren erprobt, wie sich in großflächigen Umgebungen mit permanenten Veränderungen Anker setzen und aufrechthalten lassen. Der Versuch dient dazu, den Agenten auch für Logistikbereiche wie Park- oder Lagerhäuser einsetzbar zu machen.
Im ersten übergreifenden Projekt des 2019 gegründeten DFKI-Labors Niedersachsen ergänzen sich die drei Forschungsbereiche in Osnabrück und Oldenburg durch ihr jeweiliges Fachwissen. Hierzu zählt die Verarbeitung von Sensordaten des Bereichs Planbasierte Robotersteuerung (PBR) ebenso wie der Einsatz von Geräten zur Mensch-Maschinen-Interaktion aus dem Bereich Smart Enterprise Engineering (SEE) und die Umgebungswahrnehmung und Modellbildung unter anderem im maritimen Umfeld des Bereichs Marine Perception (MAP). Gefördert wird das Projekt CoPDA vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) über eine Laufzeit von drei Jahren mit rund 1,3 Millionen Euro.
Bildmaterial:
In der DFKI-Cloud steht ein Foto zum Download bereit. Dieses können Sie mit Nennung der Quelle „DFKI GmbH, Foto: Annemarie Popp“ gerne verwenden.
Ansprechpartner:
Prof. Dr. Joachim Hertzberg
Deutsches Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz GmbH (DFKI)
Planbasierte Robotersteuerung
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Joachim.Hertzberg@dfki.de
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