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AI Action Summit: Europas Weg zur vertrauenswürdigen KI

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Europa stellt die Weichen: Der AI Action Summit in Paris markiert einen Meilenstein für die europäische KI-Strategie und sendet ein starkes Signal. Vier DFKI-Experten blicken auf Chancen und Herausforderungen. Mit 200 Milliarden Euro Investitionsvolumen, dem Fokus auf neuro-explizite Modelle und der Entwicklung klarer Vertrauensstandards positioniert sich die EU als globaler Gestalter.

© DFKI
Prof. Antonio Krüger, Prof. Andreas Dengel, Prof. Kristian Kersting und Prof. Philipp Slusallek.

Künstliche Intelligenz (KI) steht an einem Wendepunkt. Der AI Action Summit in Paris, 06.-11. Februar, hat auch im Kontext der US-amerikanischen KI-Großoffensive Stargate verdeutlicht, dass sich die weltweiten Debatten um technologische Exzellenz, Regulierung und wirtschaftliche Souveränität zunehmend intensivieren. In diesem Kontext hat EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen mit der Ankündigung, 200 Milliarden Euro für Trustworthy AI zu mobilisieren, ein starkes Signal gesendet: Europa erkennt die strategische Relevanz einer vertrauenswürdigen KI und will sich als globaler und KI-souveräner Gestalter positionieren. 

Während die USA eine weitgehend unregulierte Innovationsdynamik verfolgen und China ein zentralistisches KI-Modell etabliert, setzt die EU auf einen dritten Weg: Exzellenz durch Kollaboration, Offenheit und starke Vertrauensgarantien. Diese Sichtweise wird nicht nur durch politische Weichenstellungen untermauert, sondern auch durch wissenschaftliche und industrielle Akteure, die mit ihren Initiativen und Investitionen die Grundlagen für eine belastbare europäische KI-Infrastruktur schaffen.

Die Notwendigkeit einer neuro-expliziten KI

Auf dem Summit prägten zentrale wissenschaftliche Argumente die Debatte um den künftigen Weg der KI-Entwicklung. Während in den USA die Skalierung generativer Modelle mehrheitlich als Pfad zur Artificial General Intelligence (AGI) gesehen wird, zeigen europäische Forschungsarbeiten, dass dieser Ansatz an fundamentale Grenzen stößt. Generative Modelle, die im aktuellen Fokus der Öffentlichkeit stehen, bleiben probabilistische Systeme, die keine tiefe symbolische Generalisierung beherrschen. Sie sind hochleistungsfähig bei Mustererkennung und der Generierung von Inhalten, weisen jedoch Schwächen in Transparenz, Erklärbarkeit und Sicherheit auf. 

Die europäische Alternative liegt in neuro-expliziten KI-Systemen, die generative Verfahren (neuro) mit einem formal beweisbaren Ansatz (explizit) kombinieren. Letzterer legt den Fokus auf explizite Wissensrepräsentationen und logische Schlussfolgerungen, wodurch Selbsterklärbarkeit und verifizierbare Entscheidungsprozesse ermöglicht werden. Diese Eigenschaften sind insbesondere im Kontext der europäischen KI-Regulierung von hoher Bedeutung, da der AI Act explizit Transparenz und Nachvollziehbarkeit als Grundpfeiler vertrauenswürdiger KI fordert. 

Ein neuro-expliziter Ansatz vereint die Stärken beider Methoden: Eine auf expliziten Repräsentationen und Inferenzmechanismen basierende KI ergänzt die Leistungsfähigkeit von generativen Modelle, die Wissen aus der Verarbeitung großer Mengen unstrukturierter Daten gewinnen — man kann auch sagen, durch die Verschränkung wird das KI-System vernünftiger. Diese Symbiose bietet Europa die Möglichkeit, robuste und vertrauenswürdige KI-Lösungen zu entwickeln, die den hohen Anforderungen des AI Act gerecht werden und gleichzeitig konkurrenzfähig gegenüber den US-amerikanischen und chinesischen Entwicklungen bleiben.

Die europäische Standardisierung von vertrauenswürdiger KI

Um diese Vision voranzutreiben, bedarf es nicht nur technologischer Innovationen, sondern auch der Etablierung eines einheitlichen Standards für vertrauenswürdige KI. Der europäische Ansatz geht über reine technische Spezifikationen hinaus und setzt auf die Integration ethischer und rechtlicher Prinzipien in die Entwicklung von KI-Systemen. Dazu gehören methodische Konzepte, die Transparenz, Nachvollziehbarkeit und Fairness sicherstellen. 

Ein entscheidender Bestandteil ist die Entwicklung robuster Mechanismen, die den Nachweis über die Vertrauenswürdigkeit von KI-Systemen ermöglichen. Hierbei spielen standardisierte Testverfahren und Zertifizierungsprozesse eine zentrale Rolle. Besonders sicherheitskritische Anwendungen, wie der Einsatz von KI in autonomen Systemen oder in der medizinischen Diagnostik, erfordern evidenzbasierte Garantien für ihre Funktionsweise. Nur durch einen transparenten und objektiven Bewertungsrahmen kann langfristig gesellschaftliches Vertrauen geschaffen werden. 

Europäische Akteure arbeiten deshalb an umfassenden Konzepten, die eine rigide Evaluierung von KI-Systemen unter realistischen Bedingungen ermöglichen. Neben der technischen Verifikation werden auch soziale, kulturelle und ethische Aspekte einbezogen. Ein entscheidendes Ziel besteht darin, die Prinzipien vertrauenswürdiger KI nicht nur zu definieren, sondern sie als verbindlichen Standard auf europäischer und globaler Ebene zu etablieren.

Europas Antwort auf den KI-Wettbewerb

Die Investitionsoffensive der EU, insbesondere die geplanten KI-Gigafabriken, zeigt, dass sich Europa der Notwendigkeit einer technologischen Unabhängigkeit bewusst ist. Die Initiative soll nicht nur den Zugang zu leistungsfähigen Modellen sichern, sondern auch Antworten auf außereuropäische Innovationsvorhaben liefern. Die Kooperation zwischen europäischer Industrie, Wissenschaft und politischen Akteuren ist dabei entscheidend. Ohne eine enge Verzahnung dieser Bereiche wird Europa im globalen KI-Wettbewerb keine richtungsweisende Rolle übernehmen können. 

Ein entscheidender Aspekt ist die politische Rahmensetzung. Der AI Act der EU wurde in Paris erneut kontrovers diskutiert. Während offizielle Vertreter der USA die KI-Regulierung als Innovationsbremse kritisierten, umarmt Europa die Balance zwischen technologischer Entwicklung und Verantwortung. Die Etablierung von Vertrauensmechanismen und klaren regulatorischen Leitlinien wird als Voraussetzung für eine breite gesellschaftliche Akzeptanz von KI gesehen. Die Notwendigkeit eines Rahmens, der Datenschutz, Autonomie sowie soziale und ethische Prinzipien gewährleistet, wurde in Paris deutlich hervorgehoben.

Der Weckruf für Europa

Die Entwicklungen der letzten Wochen zeigen: Europa hat den Weckruf gehört. Die Kombination aus politischem Willen, finanziellen Ressourcen und wissenschaftlicher Exzellenz wird den Kontinent in eine führende Position im Bereich vertrauenswürdiger KI bringen. Die europäischen Akteure haben die entscheidenden Grundsteine gelegt, um diese Vision zu realisieren. 

Die europäische KI-Strategie darf kein reines Regulierungsprojekt bleiben. Sie muss ein Innovationsprojekt sein, das Exzellenz, Wettbewerbsfähigkeit und gesellschaftliche Akzeptanz vereint. Mit der richtigen Balance aus wissenschaftlicher Präzision, politischer Entschlossenheit und wirtschaftlicher Investitionsbereitschaft kann Europa den globalen KI-Wettbewerb nicht nur mitgestalten, sondern anführen.

Autoren

  • Prof. Antonio Krüger, Geschäftsführer DFKI & Leiter Forschungsbereich Kognitive Assistenzsysteme
  • Prof. Andreas Dengel, Geschäftsführender Direktor DFKI Kaiserslautern & Leiter Forschungsbereich Smarte Daten & Wissensdienste
  • Prof. Kristian Kersting, Leiter Forschungsbereich Grundlagen der Systemischen KI
  • Prof. Philipp Slusallek, Geschäftsführender Direktor DFKI Saarbrücken & Leiter Forschungsbereich Agenten und Simulierte Realität

Weitere Informationen:

  • Tagesthemen: Antonio Krüger über KI-Technologien

    Live-Schaltung mit DFKI-Chef Antonio Krüger aus dem ARD-Studio Paris im Gespräch mit Helge Fuhst, ARD-Tagesthemen, 10.02.2025, über die Chancen und Herausforderungen der Künstlichen Intelligenz in Deutschland und Europa. tagesthemen, 10.02.2025, 22:30 Uhr