Nach einem Gebäudeeinsturz, beispielsweise aufgrund einer Gasexplosion, hat die Rettung von Menschenleben oberste Priorität. Die dafür notwendige Ausrüstung müssen Rettungskräfte noch mühsam von Hand an die oft schwer zugänglichen Einsatzorte transportieren. Dabei bergen insbesondere Trümmer eine hohe Sturz- und Verletzungsgefahr: Löcher und Spalten, scharfe Kanten sowie glatte Oberflächen und lockere Trümmerteile erschweren das Überqueren enorm. Zudem sind die benötigten Geräte und Spezialwerkzeuge oft so groß und schwer, dass sie mit beiden Händen gehalten werden müssen. Dies behindert die menschlichen Träger dabei, sich im Falle eines Sturzes abzufangen, was schwerwiegende Verletzungen zur Folge haben kann. Aufgrund der zusätzlichen Belastung durch den Materialtransport müssen außerdem mehr Personen die Gefahrenzone betreten als notwendig wären.
Doch wie lassen sich die Gefahren für die Rettungskräfte zukünftig reduzieren? An einer robotischen Lösung arbeiten das Robotics Innovation Center des DFKI und das Technische Hilfswerk (THW) in dem vom THW finanzierten Projekt ROMATRIS (Robotischer Materialtransport in Schadenslagen). Ziel des am 1. September 2021 gestarteten Vorhabens ist es, eine erste Generation teilweise automatisierter, mobiler Assistenzroboter zu entwickeln, welche die Einsatzkräfte beim Materialtransport unterstützen können. Das geplante System ist in der Lage, einem Menschen durch unwegsames Gelände zu folgen, beispielsweise über Schotter, Hindernisse, Steigungen oder ganze Trümmerkegel hinweg, und dabei Material mit einem Gewicht von mindestens 50 Kilogramm zu transportieren. Zudem soll der Roboter auf die Gesten der Einsatzkräfte reagieren und diesen Feedback geben sowie zwischen zwei Punkten eines zuvor vorgegebenen Wegs selbstständig hin und her fahren können. Bei seiner Entwicklung stehen vor allem Aspekte wie Robustheit und einfache Handhabung im Vordergrund. Das Robotics Innovation Center baut dafür auf bestehenden Technologien auf und bringt nicht zuletzt die Erfahrungen ein, die es durch die Entwicklung innovativer Roboter für den Bereich Weltraumrobotik gesammelt hat.
Um das Projektziel zu erreichen, konzipieren, bauen und testen die Forschenden in enger Zusammenarbeit mit den Einsatzkräften des THW zunächst eine erste Version des robotischen Systems. Die Ergebnisse der Versuche und Evaluationen sollen schließlich in die finale Version des Roboters einfließen, der den Anforderungen des Vorhabens vollständig gerecht wird. Um die Praxistauglichkeit der Entwicklungen in einem realistischen Anwendungsszenario zu testen, sind mehrere aufeinander aufbauende Feldversuche auf dem THW-Trainingsgelände im niedersächsischen Hoya geplant, die unter Einbeziehung von erfahrenen Einsatzkräften durchgeführt werden. Der Erfolg des Vorhabens wird schließlich an der Fähigkeit der Systeme bemessen, im Testgelände über einen Trümmerkegel zu manövrieren.
Durch einen vorab durchgeführten Feldtest in Hoya im Januar 2020 mit bestehenden DFKI-Robotern konnte sichergestellt werden, dass sich die geplanten Innovationen stark an den Bedürfnissen der Endanwendenden orientieren. Nach Projektabschluss sollen die in dem Vorhaben entwickelten Systeme zeitnah in den praktischen Gebrauch übergehen und dem THW ermöglichen, seine Einsatzkräfte im Umgang mit Robotik zu schulen, Erfahrungen aufzubauen und die Akzeptanz neuer Technologien zu steigern. Auf diese Weise wird das Projekt die Digitalisierung und den Einsatz von Schlüsseltechnologien wie Robotik und Künstliche Intelligenz im deutschen Bevölkerungsschutz weiter vorantreiben und so den Katastrophenschutz insgesamt stärken.
Das Projekt ROMATRIS ist am 1. September 2021 mit einer Laufzeit von vier Jahren gestartet. Die Bundesanstalt Technisches Hilfswerk fördert das Projekt mit insgesamt 1.460.435 Euro.