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Startup-Programm EXIST am DFKI – KI im Gemüsebeet

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In Marktgärten wachsen 30 bis 50 Sorten Gemüse auf einem halben Hektar. Auf normalen Feldern kommt auf mehrere Hektar eine Frucht. Die Anbauform zählt zur biointensiven Landwirtschaft. Sie ist ertragreich und bodenschonend. Stadtnah gelegen sind die Wege zu Abnehmern kurz. Gleichzeitig erfordert die Bewirtschaftung komplexes Wissen über Pflanzen und Böden und ist Handarbeit. Der KI-Forscher Sebastian Pütz will den Einstieg in zukunftsweisende Ansätze der Landwirtschaft fördern. Er arbeitet in einem Gründungsprojekt an autonomen Robotern, mit denen Beete leichter zu überwachen und zu managen sein sollen.

© Grööntüügs
Ein Marktgarten von Grööntüügs in Ibbenbüren, Nordrhein-Westfalen von oben. Das vielversprechende Prinzip des Marktgärtnerns soll mit KI-Anwendungen vorangebracht werden.

In Zeiten des wachsenden Bedarfs an Nahrung durch die größer werdende Weltbevölkerung, der sich zuspitzenden Klimakrise und des Konkurrenzdrucks in der Agrarbranche sind Landwirt:innen gezwungen, ihre Arbeitsweisen neu zu denken und Möglichkeiten zu finden, in diesem Spannungsfeld zu bestehen. Intelligente Technologien können Wirtschaftlichkeit und Ökologie in Einklang bringen. „Das Spannende in meinen Augen ist es nicht, mit KI-Algorithmen Bestehendes in der Landwirtschaft stetig zu optimieren, sondern Dinge zu machen, die so vorher nicht möglich gewesen wären“, sagt Pütz vom Forschungsbereich Planbasierte Robotersteuerung des DFKI-Labors Niedersachsen.

Innerhalb der nächsten zwei Jahre wird er mit vier DFKI-Kollegen die Softwarebausteine entwickeln, die nötig sind, damit Roboter eigenständig zwischen den verschiedenen Gemüsepflanzen und Bei- und Unkräutern navigieren und diese erfassen können. Roboter, die mit Kameras ausgestattet sind erstellen eine 3D-Pflanzenkarte, mit der Echtzeitdaten der Umgebung im Beet abgeglichen und aus den Informationen Handlungsempfehlungen für die Gärtner:innen abgeleitet werden können. In das Produkt sollen Grundlagen seiner Doktorarbeit einfließen, Open-Source-Algorithmen für Roboter in unebenem Gelände, die bereits in Forschung und Praxis von Auckland bis Oxford genutzt werden. Das Startup-Projekt PlantMap wird seit Oktober 2021 mit rund 800.000 Euro vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) im Rahmen eines EXIST-Forschungstransfers gefördert. Das Unternehmen wird in diesem Januar angemeldet und Ende 2023 auf eigenen Beinen stehen.

Der Blick richtet sich auf die sogenannten Marktgärten, die gerade auch in Deutschland entstehen. In modernen Marktgärten, orientiert an Pariser Stadtgärten des 19. Jahrhunderts, wird auf Spritzmittel verzichtet, nicht einseitig bepflanzt und eine natürliche Bodenpflege berücksichtigt. Von Wissen und Feinarbeit hängt das Ernteergebnis ab. Große Maschinen können nicht eingesetzt werden, um die Effizienz der Anbauform zu steigern. Es braucht filigrane Geräte, die die kleinteilige Umgebung verstehen, sich darin feinfühlig bewegen können und bei der Pflege der Pflanzen assistieren. Mit Robotik und KI kann das erreicht werden.

Julian Plagemann von Grööntüügs (Plattdeutsch für Grünzeug) ist Marktgärtner und der erste Anwender, den das Team als Projektpartner gewinnen konnte. Der studierte Agrarwissenschaftler hat von seinen Eltern einen ca. 10 Hektar großen Hof übernommen: „Ich habe nach Möglichkeiten gesucht, den Hof zukunftsfähig zu machen. Wir haben nicht unbegrenzt Fläche, um unsere Produktion zu erweitern. Ich vertreibe jetzt regionales und saisonales Gemüse direkt online. Die Rechnung geht wirtschaftlich auf. Durch Marktgärten kann theoretisch jede Stadt und jedes Dorf eigenes Gemüse haben“. Plagemann wird dem Gründerteam seine Beete für Testfahrten mit den Robotern zur Verfügung stellen und sein Fachwissen zum Aufbau eines Expertensystems beisteuern. „Es geht beim Marktgärtnern darum, die Wahrscheinlichkeit zu senken, dass etwas schiefgeht. Wenn die eigene Erfahrung wächst, schafft man günstigere Bedingungen im Beet. An High-Tech zu arbeiten, die dabei unterstützt, ist ein wichtiger Schritt, damit wir in der Branche in der Breite intelligent anbauen können.“

Pütz kann sich die Technologie seines Forschungsbereichs auch im Weinbau oder in Agroforsten vorstellen. Das werde sich in der kommenden Zeit zeigen. Startups aus Ländern wie den USA oder Frankreich würden sich derzeit vor allem auf die konventionelle Landwirtschaft fokussieren. Prof. Joachim Hertzberg, Leiter des DFKI-Labors Niedersachsen, hat das Anliegen von Anfang an unterstützt: „Man kann kein Unternehmen aus der Ferne gründen. KI-Lösungen müssen aus dem Anwendungsbereich heraus entstehen, für den sie gemacht werden. Hier in der AgriTech-Region um Osnabrück sind alle greifbar – Landtechnikhersteller, Agrarwissenschaftler:innen an den Hochschulen, Gärtnereien und Landwirt:innen.  Ich bin gespannt, wie sich das Team PlantMap das zu Nutze macht und wie es auf einem starken technologischen Fundament die richtigen Anwendungen baut.“

© DFKI, Annemarie Popp
Das fünfköpfige Projektteam am DFKI (von links): Lars Schilling, Gerrit Woeckner, Sebastian Pütz, Sven Lake, Malte Kleine Piening
© DFKI
Ein neuronales Netz kann Pflanzen pixelgenau erkennen. Der Roboter kann so zum Beispiel zwischen Salat und Unkraut unterscheiden.
© DFKI
Eine von einem Roboter während der Fahrt farbig aufgenommene 3D-Punktwolke von Kopfsalat. Die Pflanzenpunktwolken werden zur Analyse der Pflanzen verwendet.