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Durch die Sammlung mit einem Chatbot?

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Sie stehen vor einem Werk im Museum. Dazu schießen Ihnen Fragen in den Kopf. Sie tippen sie in Ihr Handy – eine Künstliche Intelligenz gibt direkt die Antwort. Wie wird das Realität? Ein Expertengespräch.

Sandro Botticelli, Webiliches Idealbildnis Simonetta Vespucci als Nymphe, ca. 1480,
Sandro Botticelli, Webiliches Idealbildnis Simonetta Vespucci als Nymphe, ca. 1480, CC BY-SA 4.0 Städel Museum, Frankfurt am Main

Stellen Sie sich vor, Sie stehen im Städel Museum. Spontan fallen Ihnen zu diesem Gemälde eine Reihe von Fragen ein:

Gemalt hat das Werk Sandro Botticelli, so viel verrät Ihnen der Labeltext. Auch erfahren Sie den Titel und das Entstehungsjahr: Weibliches Idealbildnis (Bildnis der Simonetta Vespucci als Nymphe), ca. 1480. Doch wer war die junge Frau? Kannte der Maler sie persönlich? Waren die Frisuren der Frauen seiner Zeit tatsächlich so aufwendig? Hier kommt CHIM, der Chatbot im Museum, ins Spiel. Die sprach- und textbasierte Künstliche Intelligenz (KI) soll als Dialogsystem nicht nur Antworten liefern, sondern darüber hinaus auch Rückfragen stellen und euch auf überraschende Bilddetails aufmerksam machen. So könnte ein Museumsbesuch der Zukunft mit CHIM aussehen.

Das Städel Museum unterstützt als Bildungspartner das Forschungsvorhaben Chatbot im Museum. CHIM ist eine Kooperation zwischen der Linon Medien KG (Linon) und dem Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) – gefördert durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung.

Wir laden Sie gemeinsam mit Linon in einer ersten Entwicklungsphase ein, 14 Hauptwerke aus der Sammlung europäischer Kunstgeschichte zu betrachten und Fragen zu den einzelnen Kunstwerken zu stellen. Mit Ihren Fragen legen Sie den Grundstein für den KI-gestützten Museumsguide der Zukunft.

Machen Sie mit – hier könnt Sie ihre Fragen stellen!

Das Ziel ist es, eine prototypische CHIM-App für Smartphones zu entwickeln und anschließend im Städel zu testen. Wie das genau funktioniert? Wir haben bei den Verantwortlichen genauer nachgefragt:

Wie ist die Idee für CHIM entstanden?

Oliver Gustke (Linon): Im Gespräch. Wir bei Linon Medien dachten über zukünftige Möglichkeiten von Audioguides und anderen digitalen Vermittlungsmedien nach. Da meinte ein Kollege, dass ihm im Museum vor den Originalen oft spontan Fragen in den Sinn kommen, auf die er gerne direkt eine Antwort hätte. Diesen Ansatz haben wir weitergedacht und ein Konzept entwickelt – zusammen mit unserem Projekt-Partner, dem Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI).

Stefan Schaffer (DFKI): Wir forschen schon länger an Chatbot-Anwendungen. Ihren möglichen Einsatz in der Wissensvermittlung im Museum fanden wir sofort spannend. Auch angesichts der Pandemie erscheint es sinnvoll, neue Technologien und Künstliche Intelligenz (KI) für ihren Einsatz im Kulturbereich voranzutreiben. Die Entwicklung interaktionaler Konversationssysteme in diesem inhaltlich sehr anspruchsvollen Feld ist auch eine reizvolle Herausforderung.

Antje Lindner (Städel Museum): Wir setzen in der digitalen Kunstvermittlung auf Innovationen, auch durch neueste Technologien. Deswegen unterstützen wir das Forschungsvorhaben als Bildungspartner. KI für die Kunstvermittlung einzusetzen, ist ein spannendes Experiment. So ein Chatbot kann natürlich die zwischenmenschliche Interaktion im Museum nicht ersetzen, soll er auch gar nicht. Aber er könnte jeder Besucherin und jedem Besucher einen ganz individuellen und weiteren Zugang zur Kunst ermöglichen.

Warum sollte ein Chatbot im Museum kommunizieren lernen?

Oliver Gustke (Linon): Damit er bereit ist, auf Fragen zu antworten. Heute stellen Mediaguides schon umfassende Inhalte bereit: Das sind aber, wenn man so will, kommunikative Einbahnstraßen: Man kann hören, lesen, schauen, aber nicht in Interaktion treten. Um Fragen beantworten zu können, muss der Mediaguide verstehen und sprechen lernen. In einem nächsten Schritt soll er die Besucherinnen und Besucher in bestimmten Momenten sogar selbst etwas fragen, zum Beispiel zu einem Detail in einem Gemälde. So werden die Betrachterinnen und Betrachter aktiviert und persönlich involviert.

Antje Lindner (Städel Museum): Ein Kern der Vermittlungsarbeit ist es, auf die individuellen Bedürfnisse und Interessen unserer Besucherinnen und Besucher einzugehen. Welche Themen beschäftigen sie? Welche aktuellen gesellschaftlichen Debatten führen sie? Mit welcher Erwartungshaltung gehen sie in ein Kunstmuseum? Und wie betrachten sie Kunst? Klassische Medien der Kunstvermittlung wie die Audioguide-App oder der Label- und Wandtext geben wichtige Informationen zum Werk, können aber nicht das gesamte vorhandene Wissen zu einem Kunstwerk abdecken. Interessant wird es, wenn der Chatbot in der Lage ist, das im Museum vorhandene Wissen gefiltert nach den jeweiligen Interessen der Besucherinnen und Besucher auszugeben und ihnen so eine erweiterte Kunsterfahrung zu ermöglichen.

Wie lernt die KI, die für CHIM entwickelt wurde?

Stefan Schaffer (DFKI): KI lernt durch Training, sowie Versuch und Irrtum, ähnlich wie wir Menschen. Allerdings kann man künstliche und menschliche Intelligenz nicht direkt vergleichen. Computer sind heute in bestimmten Bereichen schon „besser“ als Menschen, wie etwa ein Schachcomputer. Aber wenn es zum Beispiel beim Autofahren darum geht, alle Verkehrsteilnehmerinnen und Verkehrsteilnehmer zuverlässig zu erkennen, dann ist der Mensch bisher unschlagbar.
Die CHIM-KI wird also trainiert, indem wir sie mit Fragen füttern. Dazu wurde die „Fragen an die Kunst“-App und Website entwickelt, mittels der das Publikum des Städel Museums Fragen zu ausgewählten Werken stellen kann. Um auch auf komplexe Fragen eine Antwort zu geben, muss vorab eine große Menge an Informationen gesammelt und zueinander in Beziehung gesetzt werden. Hierfür wurden auf technischer Ebene mehrere Verfahren entwickelt.

Was macht die Kunstvermittlung in Verbindung mit neuen Technologien aus?

Antje Lindner (Städel Museum): Jede Besucherin und jeder Besucher ist anders und jeder Besuch im Städel ist es auch. Jede Situation erfordert ein anderes Vermittlungsangebot — das gilt für Führungen und Workshops ebenso wie für digitale Angebote. Nicht zu vergessen ist, dass das Publikum auch vor, während und nach dem Museumsbesuch unterschiedliche Anforderungen an die Kunstvermittlung hat.
Die Begegnung mit dem Original im Museumsraum steht nach wie vor im Mittelpunkt. Ganz gleich, ob die Besucherin, der Besucher den Audioguide oder zukünftig vielleicht den Chatbot wählt, alle Medien zur Kunstvermittlung dienen an erster Stelle dazu, die Geschichten rund um die Originale zeitgemäß zu erzählen und ein anregendes und bereicherndes Besuchserlebnis zu kreieren.

Wo liegen die Chancen für die Museumsbesucherinnen und -besucher bei der Nutzung eines KI-gestützten Chatbots?

Oliver Gustke (Linon): Er kann auf die persönlichen Vorlieben eingehen, indem er analysiert, was den Nutzerinnen und Nutzer gefallen könnte und dementsprechend passende inhaltliche Vorschläge macht. Die Besucherinnen und Besucher bekommen schneller das, was sie suchen und sie werden die Nutzung als intuitiv empfinden. Mit einem Chatbot im Museum wäre eine individuelle Kommunikation jederzeit verfügbar. Im Idealfall ist die Kommunikation mit der KI so anregend, dass das Interesse der Besucherinnen und Besucher an einer erweiterten Auseinandersetzung mit der Kunst noch vertieft wird.

Die Fragen stellte Franziska von Plocki. Sie ist Pressereferentin am Städel Museum und arbeitet auch an der Entwicklung diverser digitaler Produkte mit. Dieses Interview erschien zuerst im Städel-Blog.

 

Kontakt:

Franziska von Plocki

Pressereferentin, Städel Museum

Dr.-Ing. Stefan Schaffer, M.A.

Senior Researcher, DFKI Berlin

So könnte CHIM aussehen, Foto: Linon Medien KG
So könnte CHIM aussehen, Foto: Linon Medien KG
Franziska von Plocki im Gespräch mit Oliver Gustke, Antje Lindner und Stefan Schaffer
Franziska von Plocki im Gespräch mit Oliver Gustke, Antje Lindner und Stefan Schaffer

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